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Darf man die Weltwoche lesen? Ich kaufe sie manchmal, aber immer mit einem komischen Gefühl. Manfred Kalberer, 56

Lieber Herr Kalberer

Um ein Haar hätte ich Ihre Frage vergessen! Dabei liebe ich sie doch, die kurzen prägnanten Fragen, die viel mehr sagen und fragen, als die ellenlangen komplizierten. Aber wenigstens kann ich auch erklären, warum und wie Sie mir unters Eis geraten ist, immerhin. Aber zuerst möchte ich mich Ihrer Frage widmen.

Ich habe die Angelegenheit mit der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich abgeklärt und diese meint, dass das Lesen der Weltwoche strafrechtlich gesehen irrelevant ist. Das dürfte Sie fürs Erste vermutlich etwas beruhigen. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass Ihr ungutes Gefühl damit aus der Welt geschafft ist, stimmts? Und ich kann Ihnen sagen, ich teile Ihre Beklommenheit ganz und gar. Früher, so vor rund zehn Jahren war ich ja selbst Abonnentin dieser Zeitschrift und habe diese auch wirklich sehr geschätzt. Aber dann hat der Besitzer gewechselt und ich habe mich leichten Herzens getrennt und mich alsbald nur noch auf die verbleibende abonnierte Fachzeitung, die AMS (Auto Motor und Sport) konzentriert.

Heute weht bei der Weltwoche der Wind nur noch von einer Seite, von steif rechts und die wenigen Annoncen werben für die EMS-Chemie. Überraschungen sind daher nicht mehr zu erwarten und weitsichtige Artikel schon gar nicht. Texte, die nicht auf Parteilinie sind, werden von oberster Stelle tendenziös darauf getrimmt und selbst der van Husseling fährt mit seiner Potenzerweiterung selten linksspurig.

Und doch gibt es manchmal Gründe, warum es sich lohnt, einen Blick in die Weltwoche zu werfen. Als ich im letzten Jahr anlässlich der Ausschaffungsinitiative als Ghostwriterin für die NZZ online bloggte, las ich sie zum Beispiel regelmässig. Schliesslich wollte ich wissen, wie "der Feind" denkt und handelt und nicht selten war ich überrascht, wie ähnlich die Argumente von Links und Rechts daher kommen. Gekauft habe ich sie mir allerdings nicht ein einziges mal, das hätte mein linksgeneigter Kopf niemals zugelassen. So habe ich mich über einige Wochen auffällig oft bei Friseuren und in Restaurants rumgetrieben und sie dann und wann irgendwo mitlaufen lassen. Was Ihre Frage eigentlich schon beantworten würde.

Lesen darf man sie. Kaufen niemals.

Aber nun dazu, wie es kommen konnte, dass ich Ihre Frage vergessen habe. Genau an dem Tag, an dem ich an der Antwort zu Ihrer Frage sass, meldete sich die Weltwoche bei mir und fragte mich an, ob ich für sie schreiben würde. Innert Sekunden war ich von "darf man die Weltwoche lesen" mit "darf man für die Weltwoche schreiben" konfrontiert und habe deswegen Ihre Frage mal vorläufig hintangestellt. Natürlich dachte ich erst, man wolle mir eine harmlose Kolumne oder ähnliches anbieten und ich habe mir schon überlegt, dass ich unter einer Bedingung zusagen würde. Nämlich dieser, dass ich ohne Lohn schreiben würde und das auch unter der Kolumne so stehen würde. Die Weltwoche als Plattform nutzen, meinetwegen. Auf Ihrer Lohnliste stehen, nie und nimmer! Aber die Pläne waren anders, viel grösser. Die Weltwoche wollte mich mit Haut und Haar und zu 100% auf ihrer Redaktion haben. Sie wollte, dass ich über gesellschaftsrelevante Themen schreibe und den freien Journis Themen vorgebe. Die Kafi auf der Redaktion von der Weltwoche! Die Kafi in der Kantine beim Kafi mit Köppel! Die Kafi in der Höhle des Löwen! Bei diesen Bildern wurde mir ganz anders. Denn wer nicht für die Weltwoche zahlen mag, darf sich auch nicht von ihr zahlen lassen. Mein Herz schlägt für die Secondas Plus und ich kann nicht meinen Kopf und meine Hände dem Köppel und seinen Kumpanen vermachen.

Lesen Sie lieber den Katalog von D&W und spenden Sie das eingesparte Geld dem obengenannten Verein Secondas Plus. Das gibt unter dem Strich mehr her.

Lieben Gruss! Ihre Kafi.

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