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Guten Tag Frau Freitag. Ich arbeite im Kader einer mittelgrossen Unternehmung an der Peripherie einer Schweizer Grossstadt. Gerne hätte ich die Frauenquote eingeführt, weil ich die einzige Frau in Kaderposition bin und ich Frauen gerne fördern würde. Das ist nun aber leider vom Tisch, die Geschäftsleitung hat darüber abgestimmt. Dennoch ist esmir ein grosses Anliegen, Frauen zu fördern. Wie kann ich es auf anderem Wege tun? Wann immer ich in einen Rekrutierungsprozess involviert bin, versuche ich eine Frau zu bevorzugen. Aber das reicht mir nicht. Wissen Sie Rat? Corinne, 46

Liebe Corinne

Ja, den weiss ich tatsächlich! Vor ein paar Tagen war ich zu Gast bei einer Vernissage einer Fotoausstellung. Dort haben 2 Personen eine Rede gehalten; eine Frau und ein Mann. Die Moderatorin hat den Mann als äusserst innovativen Visionär vorgestellt, während sie die Rednerin als sympathische Frau bezeichnet hat. Mir haben sich die Nackenhaare aufgestellt und die Zehennägel eingerollt!

Denn alle Quoten und Regelungen helfen nicht viel, wenn wir in unseren Köpfen noch immer Stereotype bedienen, wie sie in den 50er Jahren gegolten haben. Frauen sind nett, sympathisch und fürsorglich, Männer dynamisch und durchsetzungskräftig. Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht über die Frisur der eventuell angehenden ersten weiblichen Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika diskutiert wird. Ich kann mich allerdings an keine Berichterstattung über den Haarschnitt von Barack Obama erinnern.

Es sind nicht nur Männer, die Frauen klein halten. Es sind auch wir Frauen selbst! So musste ich kürzlich in einer neuen Talksendung, wo 4 Frauen über Frauenthemen diskutieren mit Schrecken feststellen, dass Bundesrätinnen an ihrem Outfit bewertet werden und man über Frauen spricht wie über kleine Mädchen, die bald in den Kindergarten kommen: "Sie hat eine herzige Ausstrahlung, sie ist sowieso eine ganz herzige".

Solange wir Frauen nicht unsere eigenen Sprachmuster verändern, wird sich in der Förderung von Frauen wenig tun. Unsere Formulierungen sind Ausdruck unserer Gedankenwelt und lenken unsere Taten. Wir müssen anfangen, Frauen als gleichberechtigt zu denken, damit sie es endlich sein können. Und wir müssen damit aufhören, sie über Äusserlichkeiten zu be- oder entwerten. Sobald eine Frau in einem schlecht sitzenden Kostüm eine politische Funktion oder Führungsaufgabe in der Wirtschaft übernehmen kann und wir Frauen uns nicht darüber den Mund zerreissen, ist der erste Schritt in Richtung Frauenförderung getan. Bis dahin können wir noch lange an Regulierungen wie einer Quote basteln, sie wird immer nur ein Abbild einer Oberflächlichen Idee sein, aber kein integriertes und etabliertes Denkmuster.

Hören wir noch heute damit auf, erwachsene Frauen zu unmündigen Mädchen zu degradieren und wir sind in kürzester Zeit nicht mehr auf Quoten und Ähnliches angewiesen, versprochen!

Mit herzlichem Gruss, Ihre Kafi.

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