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Guten Tag Frau Freitag. Ich arbeite seit ein paar Jahren in einem Betrieb, in dem vor ein paar Monaten die Frauenquote eingeführt wurde. Dadurch bin ich nun in die Geschäftsführung aufgenommen worden. Ich finde das auf der einen Seite grossartig und auf der anderen Seite frage ich mich, ob ich die Firma verlassen sollte. Schliesslich habe ich den Posten nur wegen der Quote erhalten, viele Alternativen zu mir gab es nicht in der Firma. Das ist doch kein Fähigkeitszeugnis für mich sondern mehr ein Akt der Grosszügigkeit, wenn nicht sogar herablassende Wohltätigkeit. Oder wie sehen Sie das?

Liebe Evelyne

Ich würde die Firma auch verlassen. Am besten noch heute und mit viel Brimborium. Das kann doch nicht angehen, dass Sie in die Geschäftsleitung befördert werden, nur weil die Firma neuerdings einen auf Frauenquote macht und Sie ganz zufällig so eine Frau sind. Das wäre ja noch schöner! Man kann sich ja ausmalen, wo sowas hinführen könnte, wenn man da keinen Riegel schiebt! Man stelle sich vor, welche Auswirkungen es auf die Wirtschaft hätte, wenn andere Firmen dieser Idee folgen würden und dann dort auch Frauen in die Chefetagen kämen, nur weil sie zufällig Frauen sind. Ich darf gar nicht daran denken!

Wir Frauen sind manchmal so doof, liebe Evelyne. Da kämen wir ein Jahrhundert lang für die Gleichstellung und wenn dann ein Betrieb von sich aus diesen Weg gehen will, ist es auch nicht recht. Und das nur, weil wir nicht genügend Selbstvertrauen haben, den Posten mit Ehre und Stolz anzutreten und auszufüllen. Lieber schimpfen wir auf die Pseudoumsetzung und treten die Stelle dann nicht an. Sie merken hoffentlich auch, wie sehr Sie sich damit in den nicht vorhandenen Schwanz beissen, oder? Wir Frauen müssen uns da ein Vorbild an den Männern nehmen. Kein Mann würde jemals hinterfragen, ob er eine Funktion auch wirklich verdient hat und sich kleiner machen, als er wirklich ist. Wir Frauen sind aber Expertinnen darin. Wir bewerben uns ausschliesslich auf Stellen, die wir schon am ersten Arbeitstag zu hundert Prozent ausfüllen. Weil wir Angst haben, dass man uns als zuwenig kompetent entlarven könnte. Weil wir unsere eigene Kompetenz sowas von unter den Scheffel stellen und nicht genügend an uns selber glauben. Wir machen uns kleiner, als wir sind und überlassen die Jobs lieber Männern, die sich grösser machen, als sie eigentlich sind.

Wenn wir so weitermachen, dann hilft uns auch keine Quote dieser Welt, in den Chefetagen der Wirtschaft Fuss zu fassen. Diese Regelung ist ein Versuch eines kleines Tabourettlis, auf dem wir bitzli leichter nach oben kommen. Wir würden das auch ohne diese Steighilfe schaffen, wenn wir es uns selber zutrauen würden. Nun haben wir aber diese Chance und ergreifen Sie aus falschem Stolz nicht. Oder vielleicht doch aus gut getarnter Unsicherheit?

Ergreifen Sie die Hand, die man Ihnen dort reicht und übernehmen Sie den Posten mit Stolz und voller Vertrauen in sich selber. SIE sind dort, weil man SIE dort haben will. Was Sie daraus machen, hängt nun ganz an Ihnen und Ihrem Mindestens. Sie haben die Wahl zwischen einem gebückten "ich bin nur hier weil..." und einem aufrechten und würdevollen, "ich bin hier weil ich die Beste dafür bin". Mit welchem Glaubenssatz wollen Sie durch Ihr Leben gehen?

Mit bestem Gruss, Ihre Kafi.

 

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