Hallo Frau Freitag. Vor ein paar Wochen habe ich mich mit einer Freundin in einem Café getroffen und unsere Kinder (beide +- 2 Jahre alt) waren auch dabei. Während wir Mütter zusammen gekäfelet haben, haben die beiden kleinen zusammen gespielt und das Lokal erforscht. Sie waren dabei etwas lebhaft, das gebe ich zu. Aber es sind ja schliesslich Kinder und die sitzen selten lange still. Es wäre alles wunderbar gewesen, wenn sich nicht eine Frau am Nebentisch lautstark über uns aufgeregt hätte. Sie hat uns zwei Mütter richtig beschimpft und sich darüber aufgeregt, dass sie nicht in Ruhe Zeitung lesen konnte. Ich und meine Freundin sassen sprachlos da uns sind dann schnell gegangen. Leider ist mir keine schlagfertige Antwort eingefallen. Die Sache verfolgt mich immer noch. Wie hätte ich reagieren sollen? Wie geht man mit solchen Menschen um? Vielleicht wissen sie ja eine Antwort. Danke und viele Grüsse. Melanie, 39
Liebe Melanie
Ich kann mir das Szenario bildhaft vorstellen. Sie und Ihre Freundin geniessen den Kaffee und halten einen kleinen Schwatz, während sich die beiden süssen Kleinen ein paar Meter abseits ebenfalls amüsieren und ihren Rundlauf durchs Lokal absolvieren. Solche Szenen beobachte ich oft im grosszügigen Volkshaus und in der kleinen engen Sportbar, und ich muss Ihnen gestehen, ich nerve mich auch über Sie und Ihre Freundin. Und über Ihre Kindern nerve ich mich auch. Also natürlich nicht über Sie im speziellen, schliesslich weiss ich ja gar nicht, wer Sie sind. Aber über Sie als Platzhalterin aller Mütter, die das Gefühl haben, dass ein Restaurant oder ein Caféhaus eine bequemer möblierte Version eines Spielplatzes ist und ihre Kinder herumrennen lassen, als wären Sie auf der Finnenbahn.
Ich weiss, dass Sie Ihr Kind zuckersüss finden und es überhaupt nicht nachvollziehen können, dass es anderen nicht genau so ergeht. Aber ich muss ehrlich zu Ihnen sein. SIE finden Ihr Kind zum Fressen herzig, und der Vater des Kleinen findet das vermutlich auch. Und dann sicher auch noch die Grosseltern und mit etwas Glück noch die Paten. Aber dann ist auch schon Schluss.
Sie haben jetzt ein kleines Kind und Ihr Leben dreht sich vermutlich zu 92% Prozent um den Sprössling und trotzdem möchten Sie die Gewohnheiten Ihrer Vergangenheit weiter pflegen und weiterhin Dinge tun, die moderne Erwachsene tun. Das verstehe ich gut. Und ich weiss auch, dass ein Sprichwort besagt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind gross zu ziehn. Aber die Gäste um Sie herum haben vermutlich keinerlei Lust, für Sie das Dorf zu mimen und auch ich habe keine Lust, Ihr Kind zu verlustieren, damit Sie in Ruhe den Kaffee mit Ihrer Freundin geniessen können.
Es ist mir vollkommen bewusst, dass ich mir wenig Freundinnen machen werde mit dieser Antwort, aber glücklicherweise habe ich davon auch schon genügend. Sehen Sie ein, dass Sie sich jetzt in einer anderen Lebensphase befinden und nicht einfach das gleiche Programm weiter abspulen können, wie bisher. Vielleicht wären Sie gerne einer dieser hippen Mütter, die ihr Kind überall hin mitschleppen und aller Welt zeigen, dass man auch noch zur Szene gehören kann, wenn man ein Baby hat. Eine, die den Kinderwagen auch noch abends um 11 in die Kronenhallenbar schiebt, um sich und den anderen zu beweisen, dass sie und ihr Mann immer noch up to date sind. Nicht wie die öden Eltern, die jetzt kaum mehr ausgehen und langweilig zuhause sitzen. Natürlich verbiete ich Ihnen nicht den Besuch eines Lokals, aber wenn Sie es mit Ihrem Kind zusammen tun, dann sollten Sie dieses auch beaufsichtigen und nicht einfach ziehen lassen und sich über die freien Minuten freuen.
Kinder sind grossartig, keine Frage. Aber sie werden in unserer plus/minus-1-Kind-Gesellschaft grundsätzlich überbetont und müssen sich kaum mehr an Regeln halten, weil wir Eltern davon ausgehen, dass alle um uns herum sie genau so entzückend finden, wie wir es tun. Und wie bereits weiter oben erwähnt: Sie tun es nicht. Und zwar mit Recht.
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi.