Hallo Frau Freitag. ich arbeite im Labor und renne daher die meiste Zeit in einer Art Pyjama herum. Ich sehe aber am besten in Bleistiftröcken und auch Etuikleidern aus, bin aber erst seit ca. 3 Jahren mutig genug damit bei der Arbeit herumzulaufen. Ich habe daher nur einen Belistiftrock von BonPrix und 1 schwarzes Etuikleid von Mango. Der Rock ist langsam verbraucht und das Kleid nach 2 Kindern und plus 3 Kilos (und nein, ich mag nicht abnehmen) sehr querfaltig. Wo kriege ich sowas? Und bitte auch über knapp über-knielang. Weil die Kurven dazu hab ich, die Beine leider nicht!!!! Michaela, 45
Liebe Michaela
Ich finde es grossartig, dass Sie den Mut gefunden haben, vom Labor-Pyjama-Look auf hübsche Kleider und Röcke umzusatteln, so macht die Arbeit doch grad mehr Spass! Und dann möchte ich Ihnen noch zu etwas Zweitem gratulieren, was mir sehr gefallen hat. Sie schreiben, dass Sie eine Garderobe möchten, die Ihnen passt, ohne dass Sie dafür abnehmen müssen, und das finde ich vollkommen richtig und gesund.
Ich habe gerade Gestern abend eine amerikanische Doku im Fernsehn gesehn, die sich um das Selbstbild von jungen Frauen drehte, und ich war sehr schockiert darüber, dass sich über die Hälfte der 12 jährigen Mädchen zu dick findet und dass über 60% aller Frauen zwischen 16 und 40 eine Essstörung haben. Mich ärgert es furchtbar, wenn in Magazinen klapperdürre Frauen als Schönheitsideal propagiert werden und noch mehr, wenn man junge Mütter danach beurteilt, wie schnell sie nach der Entbindung wieder in Form sind. Vor ein paar Tagen habe ich auf einem Gesundheits-Blog ein Interview mit einer Mutter gelesen, die vor wenigen Monaten ihr Baby bekommen hat. Die erste Frage an Sie lautete, wie sie so schnell wieder in Form gekommen ist, ich habe gekocht vor Wut. Als gäbe es nicht 10'000 spannendere Fragen an eine Frau, die ihr Leben neu mit einem Kind teilt!
Geht es denn verdammt nochmal wirklich immer nur ums dünn sein in unserer Gesellschaft? Kann nur eine dünne Frau eine "gute" Frau sein, zum Teufel? Und warum kommen wir auf die höchst bescheuerte Idee, dass ein dünner Mensch erfolgreicher ist, als einer normalgewichtiger? Darf denn nur eine dünne Frau in Klamotten gut aussehen, oder gibt es eventuell auch die Möglichkeit, dass sich ein Mensch mit einer durchschnittlichen Figur gut fühlen kann? Warum habe ich das unangenehme Gefühl, dass es ein grosses Glück ist, wenn man einen Jungen zum Aufziehen hat, anstatt ein Mädchen? Wie würde ich mit der Tatsache umgehen, dass mein Kind die Nahrung verweigert, damit es dünn bleibt? Und würde ich es merken, wenn es nach dem Essen im Klo wieder alles herauskotzen würde? Was lernen Mädchen von Müttern, die sich selber derart kasteien und wohin soll uns diese ganze Perversion noch führen? Brauchen wir erst wieder eine Nahrungsmittelknappheit, bevor wir Essen wieder als etwas Gesundes und Lebensbejahendes annehmen können? Müssen ganze Generationen von jungen Frauen erst eine Essstörung überleben, bevor sich die Einstellung zum eigenen Körper ändern kann?
Sie sehen, Ihre Frage hat bei mir mehr ausgelöst, als Sie geplant hatten. Aber ich lese viel öfter von Diät-Tipps und unzufriedenen Frauen, als von solchen die deutlich sagen: ich will so sein, wie ich bin. Und darum bin ich nicht umhin gekommen, das aufzunehmen.
Aber um nun auf die Kleiderfrage zurückzukommen... Die Teile, die Sie zur Arbeit tragen, dürfen keinesfalls abgenutzt sein, weil sonst macht der Aufwand unter dem Strich auch nicht mehr her, als das Labor-Ganzkörperkondom, das Sie davor getragen haben.
Wenn Sie gerne online einkaufen, dann kann ich Ihnen die Bleistiftröcke von JCrew empfehlen. Im Winter gibt es die klassische Ausführung in Wolle, und im Frühling denselben in Baumwolle. Ich besitze diesen Rock in allen erdenklichen Farben und ich liebe ihn über alles. Er ist aus festem Material gefertigt und macht eine klasse Figur. Im Moment können Sie Ihn reduziert bestellen und in die Schweiz liefern lassen. Bedenken Sie aber bitte, dass zu den Lieferkosten noch eine Zollgebühr nachbelastet wird. Ansonsten mag ich die Kleider von COS wahnsinnig gern. Die sind super verarbeitet, sehr schlicht und haben trotzdem immer einen gewissen Kniff. Leider gibts in der Schweiz keinen Laden der edlen H&M-Kette, aber dafür haben Sie einen super Vorwand, um mit einer lieben Freundin eine Kaffeefahrt nach Strassburg zu unternehmen. Wenn Sie nach Weihnachten fahren, ist alles reduziert, da macht das Einkaufen doppelt Spass!
Alles gute und einen herzlichen Gruss! Ihre Kafi.