Hallo Kafi. Gerade eben hab ich wieder einen Moment in Deinem Blog gelesen und hab die Kategorie "savoir vivre" entdeckt... Ich mag diesen Ausdruck, nur wie lernt man es? ... zu leben meine ich - Ständig bin ich am Suchen was ich anders oder besser machen müsste um mir selber gerechter zu werden. Nach einer Weile sag ich mir dann immer, dass ich aufhören muss immer alles in frage zu stellen und versuche mich abzulenken. Aber die Frage bleibt... Was macht man wenn man nicht weiss was man will? Anna K, 18.
Liebe Anna
Sind Sie wirklich sicher, dass Sie 18 Jahre alt sind? Oder doch eher 81? Ist Ihnen vielleicht ein folgenschwerer Zahlendreher unterlaufen, oder machen Sie sich wirklich solch erwachsenen Gedanken, noch bevor Sie tatsächlich richtig erwachsen geworden sind - vorausgesetzt, dass man dies überhaupt wird, irgendwann.
Ich habe gestaunt ob Ihrer Frage, dachte ich doch wirklich, dies seien Themen, welche Menschen in deren Midlifecrisis umtreiben, aber nicht in den angeblich unbeschwerten Jahren unter 20... Aber Sie belehren mich eines Besseren und da will ich Sie im Gegenzug etwas an meiner Lebenserfahrung teilhaben lassen: Ich habe keine Ahnung, ehrlich. Ich weiss selber auch nicht wirklich, wie zu leben wäre.
Ich kann mich gut erinnern, dass ich in Ihrem Alter dachte, das Leben nach 30 wäre ein geordnetes und die wichtigen Fragen des Lebens seien geklärt. Und nun gehe ich auf die 40 zu und habe auch noch keine schlauen Antworten gefunden und ich befürchte, dies wird auch so bleiben. Diese Tatsache kann Sie jetzt entweder in eine noch grössere Krise stürzen oder aber dahingehend beruhigen, dass Sie es locker angehen können, weil sich die Fragen vermutlich nie restlich in Klärung auflösen werden und Sie demnach auch nicht unter Zeitdruck stehen. Soviel zum Anfang.
Was es mit dem "sich selber gerecht werden" auf sich hält, ist wohl ebenso komplex wie einfach. Wir würden Sie denn gerne sein, was streben Sie an? Sie machen sich sehr differenzierte Gedanken zum Leben und das lässt darauf schliessen, dass Sie sich bereits auf bestem Wege befinden, wohin dieser Sie auch noch führen wird. Spielen Sie doch einfach mal in Ihrem Kopfkino ein paar Varianten durch und achten Sie darauf, wie es sich anfühlt. Der Weg des Lebens ist selten ein gerader und das ist auch gut so, weil Umwege erhöhen die Ortskenntnisse und führen an spannende Plätze und das sollte ihr Ziel sein. Seien Sie wachsam und interessiert an allem, was Ihnen auf ihrem Pfad begegnet. Machen Sie aus jeder Not eine Tugend und feiern Sie die Feste, wie sie fallen, der Rest wird sich ergeben. Bleiben Sie dabei möglichst nahe bei sich und ihren Bedürfnissen. Achten Sie darauf, was Ihnen gut tut und was weniger und kosten Sie ihre jugendliche Freiheit aus. Sie sind nur für sich selber verantwortlich und können tun und lassen, was Ihnen gefällt. Bleiben Sie ein nachdenklicher Mensch, aber versuchen Sie das grosse Hinterfragen noch etwas aufzuschieben, es werden Zeiten kommen, da sitzen Sie unter einer Strickdecke im Altenheim und sind froh, wenn Sie noch über etwas zu Grübeln haben.
Vergessen Sie bei all dem Nachdenken nie: Der Weg ist das Ziel!
Alles Liebe! Ihre Kafi.