Herrgott nochmal!
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Mein lieber Gott
Als wir uns das erste mal in kirchlichem Kontext begegneten, war es nicht freiwilliger Natur. Meine Eltern liessen mich taufen, ich hatte da noch wenig mitzureden, sonst hätte ich mir nicht einen Götti ausgesucht, der mir bis zum 18ten Lebensjahr mit gleichmässiger 3 monatiger Verspätung eine Flasche Pustefix Seifenblasenwasser zum Geburtstag schenken würde. Dass ich refomiert getauft wurde war meinem deutschen evangelischen Vater zu verschulden und der Tatsache, dass meine Mutter wegen der unehelichen Schwangerschaft mit meinem älteren Bruder von der katolischen Kirche war exkommuniziert worden. So war ich nun getauft und man hatte dem Pfarrer versprochen, mich im christlichen Glauben zu erziehen, aber das ging dann wohl irgendwo vergessen im Alltag. Anfangs sprach mein Vater zwar noch ein Gebet vor dem Essen, aber auch das verlor sich mit den Jahren. Übrig blieb einzig der obligatorische Religionsunterricht, welcher ein zum sterben langweiliger Katechet uns in der Primarschule gab.
Als dieser einmal krank war und ich wusste, dass Zuhause noch niemand sein würde, der mich in Empfang nehmen würde, setzte ich mich stattdessen halt zu den Katholiken in den Religionsunterricht und kehrte seither nie mehr zum Katecheten und seinen Erzählungen zurück. Was mir der katholische Religionslehrer zu bieten hatte, davon konnten die reformierten nur träumen! Ein schön eingerichtetes Unterrichtszimmer mit vielen Instrumenten, spannende farbige Kirchenfenster und ein Malheft, in das man während dem Unterricht Bilder ausmalen durfte. Ich war gekommen um zu bleiben!
Der Religionslehrer, der ob der plötzlich auftauchenden neuen Schülerin von einem Umzug in die Gemeinde ausging fragte mich am Ende der 2. Stunde ob ich meine 1. Kommunion bereits erhalten hatte und als ich das verneinte sah ich mich ein paar Monate Erstkommunionsunterricht vor einem eigens für mich angereisten Bischof in der Kirche meine erste Kommunion empfangend wieder. Nun war ich also katholisch und das vermutlich einzige Kind weit und breit, was mit zarten 10 Jahren und ohne Wissens der Eltern konvertiert war.
Selbstverständlich habe ich die kommenden Sonntage als Ministrantin in der Kirche dem Pfarrer gedient und hätte ich nicht eines schönen Tages eine Packung Hostie gestohlen (Nein, das sind nicht nur Oblaten, es ist der Leib Christi, den Du da entwendet hast!) ich wäre vermutlich heute noch Ministrantin. Die Beichtgespräche lagen mir dann allerdings bedeutend weniger und darum beschloss ich ein paar Jahre später, der Kirche und auch Dir den Rücken zu kehren.
Fortan lebte ich als überzeugte Atheistin und ich habe Dich, so ehrlich muss ich einfach sein, nie wirklich vermisst. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, in Nöten zu Dir zu beten. Und in Unnöten schon gar nicht, da war ich jeweils anderweitig beschäftigt. Du und ich, wir lebten in aufgeräumten getrennten Verhältnissen und ich wurde nur ab und an mit Dir konfrontiert. Als ich Gotte eines herzigen kleinen Mädchen werden sollte und sich der katholische Pfarrer fast verweigerte, mich als Patin zu respektieren zum Beispiel. Oder kürzlich bei der Hochzeit eines lieben Freundes. Ich muss zugeben, dass ich es nicht so habe mit Deinem Bodenpersonal. Während der Taufzeremonie durchdrang mich der Blick des Pfarrers schier bei der Frage, ob wir auch wirklich ALLE bereit wären, das Kindlein im christlichen Glauben zu erziehen und bei der Trauung war mir schnell einmal bewusst, dass Männer, die sich im Zöllibat befinden, nicht über die Alltagsorgen von sexuell aktiven Menschen philosophieren sollten. Gleichzeitig habe ich mich gefreut, dass Du einen solche agilen und lebensfrohen Papst abbekommen hast und die Gespräche mit einem lieben, sehr gläubigen Freund, der einer Freikirche anhängt, möchte ich nicht missen. Doch wenn wir unsere Beziehung auf Facebook bennennen müssten, ich würde sie vermutlich "kompliziert" nennen.
Umso mehr war ich erstaunt, als ich die Anfrage erhlielt, fortan fürs bref Magazin zu schreiben. Ja wissen die denn eigentlich, dass ich aus der Kirche ausgestiegen, ungläubig und unberechenbar bin? Wissen die, wen sie sich da ins Haus holen, so fragte ich nach? Und erhielt die Antwort: Ja, das wissen wir. Und ja, wir wollen Dich, es liegt keine Verwechslung vor Kafi, schliesslich gibt es nur eine Kafi Freitag und wir schwören, wir bezahlen fair und pünktlich und Du darfst über fast alles schreiben, was im weitesten Sinne zu Religion, Philosophie und Familie passt und jetzt sag schon, willst Du? Und weil ich so schlecht nein sagen kann wenn ich merke, dass mich jemand wirklich will und dann auch noch bereit ist, mich machen zu lassen, so habe ich halt zugesagt. Und nun bin ich hier, mein lieber Gott. Und schreibe für Dein Bodenpersonal.