Liebe Frau Freitag. Es ist so subtil, dass es wohl noch lange unentdeckt bleiben könnte. Das „Jaja“ als Grundelement jeder Unterhaltung. Doch wem es einmal aufgefallen ist, den lässt es nicht mehr los. „Jaja“ hier. „Jaja“ dort. Meine Beobachtung führe ich nicht nur auf Gespräche zurück, an denen ich selber beteiligt war. Als Hobby-Linguistin habe ich zunächst versucht, „Jaja“ einer bestimmten sozialen Schicht oder Altersgruppe zuzuordnen. Vergeblich. Als Hobby-Psychologin bemühte ich als Erklärung dann die Sender-Empfänger Thematik. Ebenfalls vergeblich. „Jaja“ ist, so vermute ich heute, weder Soziolekt noch Zeichen für konkretes Desinteresse. Als Ehefrau eines Eidgenossen und demnach auch Betroffene beruhigt mich das doch ungemein. Als Flüchtling aus dem grossen Kanton, in dem „Jaja“ zwar existiert, aber eine deutlichere Aussage macht als hier, wo ein „Jaja“ je nach Intonation als Antwort oder sogar Frage in allen Lebenslagen dient, bleibt mir als letzte einfach gemachte Erklärung nur nationale Identität und das politische System. Meine Antwort fällt, das gebe ich gerne zu, gehörig plakativ aus. Darum frage ich Sie direkt: Was glauben Sie, warum deutschsprachige Schweizer/innen verhältnismässig häufig „Jaja“ sagen? Oder ist es Ihnen vielleicht bislang auch nicht aufgefallen? Sonja, 29
Liebe Sonja
Doch. Es ist mir schon oft aufgefallen. Und das nicht nur, weil ich ebenfalls einer halbdeutschen Flüchtlingsfamilie entstamme, sondern weil es einfach kaum zu überhören ist.
Sie haben bereits in sehr viele Richtungen recherchiert, aber meistens liegt die Wahrheit bekanntlich ja viel näher. Der Vater meines Patenkindes hat mich vor Jahren einmal aufgeklärt und seither bin ich allzeit bemüht, dieses Wissen ebenfalls weiterzugeben. An andere Menschen meiner Generation, aber auch an die vielen kommenden.
Es ist nämlich so: Ja ja heisst soviel wie "Arschloch". Das mag nun fast noch plakativer sein, als es Ihre Frage angeblich sein soll. Aber ich vermute es ist trotzdem wahr. Ein "ja ja" kann soviel Ignoranz und Desinteresse beheimaten, dass man tatsächlich auch einfach "Arschloch" sagen könnte. Aber eine solche Direktheit liegt uns höflichen Schweizern nun mal nicht so sehr im Blut. Darum sagen wir lieber "ja ja" und nicken dazu höflich.
Der Japaner tut das übrigens ebenfalls, wenn auch mit etwas anderen Worten. Er nickt alles ab, vollkommen unabhängig davon, was er zum Gesagten denkt. In dieser und vielen anderen Beziehung sind uns die Japaner tatsächlich sehr ähnlich. Wenn sie auch keine Velos klauen.
Sie können meine These gerne im Alltag testen, in dem Sie die vielen "Ja ja's" dementsprechend ausformulieren. In meiner Familie hat sich das Bonmot inzwischen etabliert und das "Ja ja heisst Arschloch" ist zum festen Bestandteil unserer angewandten Linguitsik geworden.
Mit halbdeutschen Grüssen. Ihre Kafi.