Liebe Frau Freitag! Ich bin seit ca. 3 1/2 Jahren mit meinem ersten Freund (22) zusammen und wir sind geradezu abnormal glücklich, glaube ich. Wir wohnen seit einem Jahr zusammen. Wir fachsimpeln über Computer, kochen gemeinsam, unternehmen viel, raufen manchmal zum Spaß, kugelnd, lachend und scherzend im Bett herum, streiten ab und zu über Kleinigkeiten und versöhnen uns gleich wieder, müssen uns ständig küssen und kuscheln, reden total gerne miteinander und und und... ! Wir sind beide sehr ungeniert und reden über unsere verrücktesten sexuellen Fantasien, egal ob wir sie dann umsetzen oder nicht. Wir haben natürlich auch Unstimmigkeiten wie zB. verschiedene Urlaubswünsche, aber nichts Schwerwiegendes. Kurz gesagt: Es ist einfach wunder- wunder- wundervoll zusammen zu sein, ich liebe ihn über alles, und er mich auch. Was mich in letzter Zeit bedrückt: Allermeistens (obwohl nicht immer) wenn ich Paare treffe, die seit mehreren Jahrzehnten zusammen sind kommen sie mir sehr lieblos vor. Ständig übereinander nörgeln, sich vor anderen über den Partner lustig machen und respektlos über seine Hobbies herziehen sind für mich (nicht konfliktscheue!) Person so ziemlich die absoluten Beziehungs No-Gos und gerade das beobachte ich da oft. Ist es normal, in jungem Alter ohne jegliche Religiosität oder kitschige Heiratsträume für immer mit seinem Partner zusammen bleiben zu wollen, weil er einfach der Tollste ist? (Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit) Glauben Sie, dass Beziehungen ab einer gewissen Dauer zwangsläufig... schrecklich werden? Entschuldigen Sie meinen Roman, vielen Dank im Voraus für die Antwort! Magdalena, 19
Liebe Magdalena
Ich habe Ihre lange Frage aufmerksam gelesen und ich muss Ihnen sagen, Sie beide bereiten mir grosse Sorgen. Was Sie mir da schreiben, entbehrt jeglichem Sinn für Realität und ich weiss nicht genau, wie ich es Ihnen schonend beibringen soll, aber etwas stimmt nicht mit Euch zweien. Da schreiben Sie mir zum Beispiel, dass Sie auf lieblose Paare treffen, die mehrere Jahrzehnte zusammen sind und dabei weiss doch jedes Scheidungskind, dass es solche gar nicht mehr gibt. Also lieblose schon, dass wir uns richtig verstehen, aber doch keine über Jahrzehnte beisammene, wo denken Sie hin, Kindchen...
So wollen Sie mir tatsächlich weiss machen, dass Sie nach respektablen 3 1/2 Jahren noch immer ständig den Wunsch nach Kuscheln und Küssen verspüren und Sie setzen sogar noch einen drauf und erzählen mir von verspieltem Rumkugeln! Sie müssen verstehen, dass das alles in mir die Vermutung weckt, dass Sie mir und sich selber etwas vormachen wollen. Sie haben es ja selber mehrmals angedeutet und von Anfang an gesagt, dass Sie beide ABNORMAL glücklich sind und dass Sie in letzter Zeit immer wieder die Sorge umtreibt, dass das alles gar nicht SEIN kann, weil es um Sie herum nicht in dieser Weise stattfindet. Demnach kann das lediglich eine Illusion sein, was Sie füreinander empfinden. Sie wollen nur, dass es so ist und reden es sich solange ein, bis es sich wahr anfühlt und sind auch noch glücklich dabei. Schämen sollten Sie sich dafür, ja schämen!
Aber ich möchte Sie jetzt nicht allzu bodenerdig zurücklassen, weil wie immer habe ich auch für Sie eine griffige Lösung, meine liebe Magdalena. Sie schreiben von Unstimmigkeiten, wenn es um die gemeinsame Ferienplanung geht und natürlich spielen Sie auch diese herunter, dabei läge in diesem Punkt soviel Potential, sich mal richtig fertig zu machen. Sie müssen es nur ernsthaft wollen, dann können Sie diese vorhandene feine Dissonanz zu einem anständigen Trauerspiel anwachsen lassen! Eine kleine boshafte Bemerkung hier (Du willst da sowieso nur hin, weil Du eigentlich auf knackige Latinas/Thais/Schwedinnen/ (hier kann jede Nationalität stehen ausser Portugiesinnen) abfährst, anstatt auf mich...) und eine abschätzige Wertung da (willst Du allen Ernstes da hin, interessierst Du Dich denn kein bisschen für Kultur?) und schon nimmt die Angelegenheit eine eigene, abwärts driftende und kaum noch anzuhaltende Psychodynamik an, die sich dann mit etwas Geduld und nachhaltiger Pflege auch im Alltag breitmachen wird. Das wird Ihnen jetzt vielleicht etwas mühsam und aufwendig vorkommen, aber wo kein Schweiss, da auch kein Preis, das sollte ich Ihnen nun wirklich nicht erklären müssen und Sie wollen ja wohl kaum bis ans Ende Ihrer Tage so glücklich und harmonisch zusammenbleiben, oder?
Also krempeln Sie die Ärmel hoch und nehmen Sie die Sache selber in die Hand! Fangen Sie mit kleinen Lieblosigkeiten an und kochen Sie heute Abend mal nur für sich allein und steigern Sie sich dann allmählich zu grösseren Feindseligkeiten. Es macht durchaus Sinn, wenn Sie sich, wo immer möglich mit abgelöschten und verfeindeten Paaren umgeben. Vielleicht kennen Sie die bemerkenswerte Studie, wonach eine Scheidung im Freundeskreis alle angrenzenden Paare in eine Beziehungskrise stürzt und von dieser Dynamik sollten Sie unbedingt profitieren! Und hören Sie mir sofort damit auf, Ihre sexuellen Fantasien mit Ihrem Partner zu teilen, diese gehören Ihnen allein und gehen ihn genaugenommen null und nichts an! Durchleuchten Sie lieber seine Freizeit etwas kritischer und Sie werden staunen, dass auch er ein Hobby hat, über welches sich Sie vor versammeltem Freundeskreis her zu ziehen lohnt. Überhaupt sollten Sie lernen, Ihn wegen Nichtigkeiten bloss zu stellen und Internas aus der Beziehung öffentlich zu diskutieren und ich frage mich ernsthaft, was für eine Kinderstube sie genossen haben, dass Sie das bis heute nicht von sich aus können! Insofern sollten sich auch Eure beiden Eltern an der Nase nehmen und sich fragen, was Sie beim Vorleben der Ehe und Ihrer Erziehung alles falsch gemacht haben! Die Schuld liegt nicht bei Ihnen allein, nehmen Sie Ihr Umfeld in die Pflicht! Die Menschen, die Sie zu einem solch liebevollen Verhalten geprägt haben, gehören zur Rechenschaft gezogen! Warten Sie nicht weiter ab und laden Sie alle Verantwortlichen noch heute zu sich ein und sagen Sie ihnen ungeschminkt die Wahrheit ins Gesicht; nämlich DANKE.
Und auch ich danke Ihnen beiden von Herzen. Fürs nicht Anstecken lassen und weiterhin Freude haben am Andern. Verlieren Sie das bitte nie! Versprechen Sie es mir!
Kuss Ihnen beiden! Ihre Kafi