Liebe Frau Freitag. Ich lese Ihren Blog unglaublich gerne - weil Ihre Antworten nicht nur ehrlich sind, sondern auch weise. Nun würde ich gerne etwas von dieser Kombination abbekommen! Es ist so, dass ich seit ich 14 bin an depressiven Verstimmungen und Panikattacken leide, extrem Mühe habe mit Stress umzugehen und permanent Angstgefühle habe. Ich versuche alles dagegen unterzunehmen, was ich kann - viel Sport, Meditation, Arbeiten, Therapie. Ich hab auch schon jahrelang Medikamente probiert (hat nix gebracht). Aber es wird nicht besser und ich merke zurzeit, wie ich schon wieder dran bin, eine Beziehung kaputt zu machen, weil es für meinen Freund längerfristig einfach schwierig ist, mit einem psychisch angeschlagenen Menschen zusammenzusein (was ich ja wirklich auch verstehe). Und ja... meine Frage ist eigentlich simpel - hört so etwas wieder auf? Gibt es Hoffnung, dass so etwas besser wird? Dass man seine Psyche in den Griff kriegen kann? Manchmal bin ich einfach so unglaublich frustriert. Liebe Grüsse! Ladina, 27
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Liebe Ladina
Vielen Dank für Ihre lieben Worte! Nun bin ich noch mehr bemüht, Ihnen möglichst ehrlich und weise zu antworten...
Eine depressive Veranlagung ist unter anderem erblich bedingt und darum auch nicht unbedingt so vorübergehend, wie eine befristete Depression. Dennoch gibt es Wege, damit umzugehen. Ich habe selber mit Anfang 20 an einer Depression gelitten und weiss darum, dass sie das Leben sehr verändert. Und zwar nicht nur während der Erkrankung, sondern auch danach, für den Rest des Lebens. Ich beschreibe es immer als Tür, die bei einer Depression aufgestossen wird und die sich danach nie mehr ganz schliessen lässt. Wenn man den eigenen Ängsten mal so nah war, dann begleiten sie einem danach für immer, indem man irgendwie dünnhäutig bleibt. Ich kenne das nur zu gut und habe über die Jahre lernen müssen, damit umzugehen. Heute sehe ich diese Tatsache als grosse Chance, weil es mich zu einem sehr guten Coach macht. Die Dünnhäutigkeit konnte ich zu einer Empathiefähigkeit entwickeln, die mich heute mehr unterstützt, als dass sie mich piesackt. Und ich weiss, womit Menschen zu kämpfen haben, die sich in dieser Phase befinden. Es hat wenig mit gutem Willen zu tun, da kann man sich noch so bemühen.
Wenn Sie als Kundin in meiner Praxis sitzen würden, dann würde ich versuchen, ganz andere Dinge mit Ihnen zu machen, als was sie schon probiert haben. Aber als Allererstes würde ich Sie zum Hausarzt schicken, die Ferritin-Werte checken lassen. Das mache ich immer, wenn ich von depressionsähnlichen Symptomen höre. Und nicht selten bin ich damit richtig gelegen. Nach der Geburt meines Sohnes hatte ich praktisch leere Eisenspeicher und keiner meiner Ärzte hat es gemerkt. Das war eine furchtbare Zeit, die mich sehr an die Depression vor vielen Jahren erinnert hat. Eine Antriebslosigkeit und schwindende Lust am Leben waren nur zwei von vielen Symptomen, die unglaubliche Ähnlichkeiten mit denen einer depressiven Verstimmung haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass viele als depressiv Diagnostizierte eigentlich an einem ernsten nicht behandelten Eisenmangel leiden und in psychischen Kliniken so einige Betten frei würden, wenn man sich immer als Erstes darauf konzentrieren würde.
Gottseidank hat es dann doch noch jemand herausgefunden und nach ein paar intravenösen Eisenshots war alles wie weggeblasen! Darum rate ich Ihnen als Erstes zu dieser Untersuchung. Die Ärzte sind unterschiedlicher Meinung, aber ich habe mich sehr mit dem Thema Eisenmangel auseinandergesetzt und ich sage, es gibt kein Leben unter 100. Was auch immer Ihnen also gesagt wird, bestehen Sie unbedingt auf Spritzen, bis sie mindestens den Wert von 100 erreicht haben. Und lassen Sie sich auf keinen Fall mit Tabletten abspeisen, das ist was für Anfänger, die gerne schwarz scheissen.
Wenn Ihre Werte ok wären, würde ich daran arbeiten, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Es ist anzunehmen, dass die Ängste und Panikattacken, die Sie beschreiben eine Folge der Depression sind. Und darum wird in der Regel immer zuerst diese behandelt. Aber wenn das nichts bringt, dann lohnt es sich, mal umgekehrt vorzugehen und zuerst die Symptome zu behandeln. Dass Sie auf die Medikamente nicht ansprechen, kann überdies ein Zeichen dafür sein, dass es keine klassische Depression ist und darum macht es durchaus Sinn, so verkehrt vorzugehen.
Für die Angstbewältigung arbeite ich sehr gerne mit der Klopftechnik. Diese ist supereinfach zu lernen und Sie können es ganz alleine zu Hause machen. Besorgen Sie sich dafür das Buch "Klopfen Sie sich frei!: M.E.T. - Meridian-Energie-Techniken. Einfaches Beklopfen zur Selbsthilfe" von Rainer Franke und Ingrid Schlieske. Das sind zwei seltsame Eso-Vögel, aber deren Anleitung funktioniert hervorragend. Ich habe in meiner Praxis sehr gute Erfolge damit und ich schwöre auch selbst auf diese Technik. Damit bearbeiten Sie in Babysteps jegliche noch so kleine Angst, die Sie plagt. Eigentlich funktioniert es für jedes Thema, weil schlussendlich hinter fast allem eine Angst steckt. Eine Angst, nicht zu genügen, nicht geliebt zu werden, wenn dies und das. Versuchen Sie es aus!
Als Weiteres würde ich körperlich mit Ihnen arbeiten. Und zwar dahin gehend, dass ich Ihrem System lernen würde, wie es sich anfühlen könnte, befreit von alledem zu sein. Die Forschung hat gezeigt, dass der Körper nicht zwischen einem echten Lachen und einem gefakten unterscheiden kann. Er setzt die gleichen Hormone und dieselbe Chemie frei, ob es echt ist oder gestellt. Machen Sie sich dieses Wissen zunutze! Diese Tatsache gilt für alles, was den Körper betrifft. Wenn man sich aus einer zusammengekrümmten, traurigen Körperhaltung in eine lebensbejahende aufrichtet, dann passiert im Körper was, das sich schliesslich auf die Hirnchemie auswirkt. Ich weiss, dass es viel zu einfach wirkt, um wahr zu sein: Aber es funktioniert! Weil unser System nicht unterscheiden kann, ob wir uns jetzt nur an ein grossartiges und erfreutes Ereignis erinnern, oder ob wir es jetzt gerade erleben. Spielen Sie damit, tagtäglich. Sie können damit anfangen, dass Sie beim Putzen gnadenlos grinsen. Es klingt unglaubwürdig und cheesy, ich weiss. Aber Sie haben nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.
Als Letztes möchte ich Ihnen nahelegen, die Richtung Ihrer Gedanken bewusst zu lenken. Und zwar wann immer möglich. Seien Sie etwas hart mit sich und zwingen Sie sich zu bejahenden und bestärkenden Gedanken. Es geht hier nicht um einen idiotischen Zweckoptimismus, sondern darum, sein Hirn und sein Denken wieder in eine andere Richtung zu trimmen. In eine, die Sie wieder fröhlicher macht. Das hat Auswirkungen auf das gesamte System und genau darum geht es!
Bringen Sie Ihren Körper und Ihre Energien wieder in Schwung. Damit meine ich nicht wirklich Sport, sondern eher eine Tätigkeit, die Blockaden im Körper löst. Das kann Yoga sein oder Shiatsu, Cranio Sakral oder sonst was in die Richtung.
Rücken Sie dem Leiden auf der körperlichen Wahrnehmungsebene zu Leibe und beobachten Sie, was passiert. Selbstverständlich macht es Sinn, wenn Sie sich flankierend in gute Hände begeben, die Sie durch diese Prozesse begleiten. Aber auch wenn das im Moment nicht möglich ist, können Sie selber daran arbeiten. Jeden Tag. Ab heute.
Diese Antwort ersetzt selbstverständlich nicht die Betreuung durch eine Fachperson. Wenn sich Ihr Zustand nicht verbessert oder Sie suizidale Gedanken haben sollten, gehören Sie dringend in ärztliche Behandlung. Meine Tipps beziehen sich auf einen Zustand, der einem zwar plagt, aber nicht von einem halbwegs geregelten Leben abhält. Diese Einschätzung kann ich Ihnen aufgrund Ihrer paar Zeilen nicht abnehmen. Ich verlasse mich darauf, dass Sie es tun.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass es Ihnen schon bald besser geht und sie wieder das Licht am Horizont erkennen. Denn es ist da und wartet nur auf Sie! Alles Liebe. Ihre Kafi.