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Liebe Frau Freitag. Ich pflege gewisse Freundschaften, welche jedoch sehr viel meiner Energie in Anspruch nehmen. Was kann ich tun, damit ich auch etwas von der Freundschaft habe und nach einem Gespräch/Treffen nicht so ausgelaugt bin? Milena, 20

Liebe Milena

Eine Energievampir-Frage! Yes! Danke dafür, liebe Milena. (Auf diese Frage warte ich schon länger, darum freue ich mich jetzt sehr, dass sie endlich kommt.)

Was mir an Ihrer Frage besonders auf- und gefällt ist Folgendes: Sie fragen mich, was SIE tun können, um sich nicht mehr so ausgelaugt zu fühlen. Das ist enorm reif, wissen Sie das eigentlich? Können Sie sich vorstellen, wie oft Menschen zu mir in ein Coaching kommen, die den Partner, die Berufskollegen, die Eltern oder den Hund ändern wollen? Es dauert dann immer eine Weile, bis ich klargemacht habe, dass man sein Umfeld nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Selbstverständlich hat das meistens auch eine Auswirkung auf die Mitmenschen, aber es setzt halt ganz woanders an. Darum erst einmal Chapeau.

Aber nun zu Ihrer Frage. (Ich werde im folgenden Text einfachheitshalber mit dem Beispiel »Freundin« arbeiten, aber natürlich ist immer jegliche Art von Freunden gemeint.) Das mit der Energiebuchhaltung in einer Freundschaft ist ein superspannendes Phänomen. Es ist nämlich viel komplexer, als man gemeinhin denken könnte. Es gibt Konstellationen, in denen die eine Seite mehr Aufmerksamkeit schenkt als die andere und dennoch nicht zur Energietankstelle verkommt. Und andere, die auf den ersten Blick ausgeglichen scheinen und trotzdem nur Leere hinterlassen. Ich persönlich bin der Meinung, dass eine tiefe Freundschaft eine Phase der Einseitigkeit aushalten sollte. Schön, wenn es beiden Freundinnen immer gut geht und man sich im Friede-Freude-Eierkuchen-Modus immerfort über Fifty Shades of Soft Pink unterhalten kann. Aber das Leben hält sich kaum an Gesetze und ist selten fair, und so kann es schon mal sein, dass eine der beiden eine Trennung durchstehen oder sonst eine Krise überwinden muss. Dann ist es die Aufgabe der besten Freundin, für sie da zu sein und ein offenes Ohr zu haben. Die Herausforderung besteht vor allem darin, dass beide innerhalb der Freundschaft ihren Raum haben. Dass man mit seinen Themen zu Wort kommt. Ein schweres darf nicht übergroß werden und einem leichten die Daseinsberechtigung klauen. Die Kunst einer langfristigen und ehrlichen Freundschaft besteht darin, dass die Freundin von ihrer missratenen Wimpernwelle erzählen darf, nachdem man ihr von den schwerwiegenden Eheproblemen vorgejammert hat. Sobald man sich nicht mehr getraut, über gekräuselte Wimpernspitzen zu reden, weil das im Vergleich zu »richtigen« Problemen lachhaft ist, ist es gelaufen. Wenn es aber in die Richtung geht, dass die beste Freundin sich zum zwanzigsten Mal von ihrem Arschloch-Freund trennt, man sie zwanzig Mal getröstet und aufgepäppelt hat, um sie dann zum einundzwanzigsten Mal zu ihm zurückkriechen zu sehen, wird es Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Und auch dann, wenn Sie das Gefühl beschleicht, nicht mehr gehört zu werden.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer »Freundin«, während dessen ich einen Hörsturz erlitten habe. Nachdem ich mehrfach und angsterfüllt gesagt habe, dass ich auf einem Ohr überhaupt nicht mehr hören kann, und sie nicht darauf reagierte, sondern munter weiter über ihre Affären plauderte, war für mich die Freundschaft beendet.

Beziehungen sind nicht immer für die Ewigkeit gemacht, und es kann durchaus gesund sein, wenn man sich bewusst von einer verabschiedet. Sie werden also über die Bücher gehen müssen. Versuchen Sie, Gegensteuer zu geben, indem Sie mehr Raum einnehmen und eigene Themen einbringen, auch wenn das Gegenüber möglicherweise schwerwiegendere hat. Wenn das nicht funktioniert, würde ich das Thema offen ansprechen. Manchmal fehlt einem im Strudel der eigenen Themen die Reflexion, um dieses Ungleichgewicht überhaupt zu bemerken. Dann kann ein ehrliches Gespräch das Verhältnis wieder ins Lot bringen. Manchmal muss man sich aber auch eingestehen, dass man nur als Energiezapfsäule dient. Dann ist es Zeit, Adieu zu sagen und sich Menschen zu widmen, die einen ebenfalls bereichern und erfüllen.

Mit herzlichem Gruß. Ihre Kafi.

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