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Liebe Frau Freitag Ich würde sie gerne auf facebook als friend adden. Nun ist es aber so, dass wir beide noch nie persönlichen Kontakt hatten und ich adde nur Leute mit denen ich schon zu tun hatte, das ist mein Credo. Bei friendrequests halte ich es anders, da nehme ich alles das entweder gut ausschaut oder nette gemeinsame Gspänli hat, also gute Referenzen. Da bin ich dann nicht so streng. Sie hätte ich allerdings gerne in meinem erlauchten Kreis der facebookfreunde, da ich ihren Blog enorm gut finde. Und zu guter Letzt wurden sie mir schon öfters als 'people you may know' vorgeschlagen. Oder ich lade sie hiermit mal auf einen Tee ein am Nachmittag und adde sie dann guten Gewissens danach. Und ja ich benutze facebook in Englisch, damit ich à jour bleib mit der Sprache. Hochachtungsvoll, Elena Bencze, 34

Meine verehrte Frau Bencze

Was für eine reizende Anfrage, die Sie mir da zusenden, herzlichen Dank dafür. Ich verstehe Ihre Sorge, was die Erweiterung des Facebook-Freundeskreises betrifft, bin ich doch selber immer wieder hin- und hergerissen ob dieser Aufgabenstellung. Als ich vor 4 Jahren Facebook erlag, war ich sehr streng, was die Einquartierung neuer Menschen in mein FB-Portfolio betraf. Jeden einzelnen der mich anfragte, prüfte ich auf Herz und Nieren und ich fragte mich bei jeder Person folgendes: "Würde ich für dieses Wesen die Strassenseite wechseln um es persönlich zu grüssen?" Konnte ich diese Frage leichten Herzens mit 'JA' beantworten, bejahte ich auch die Anfrage. Bei 'NEIN' wählte ich das diplomatische 'Nicht jetzt'. So lebte ich für eine Weile mit meinen knapp über 100 Freunden glücklich und froh und es ging, ähnlich einer Kommune, sehr familiär zu und her. Allerdings auch etwas langweilig, waren doch nur etwa 8 % der Sippe mitteilungsbedürftig und der Rest unauffällig und stumm. Darum habe ich irgendwann meine restriktiven Kriterien etwas gelockert und die Gretchenfrage novelliert in Richtung des Grüssens per Winken quer über die Strasse. Diese Liberalisierung der Aufnahmebedingungen verdoppelte meinen Freundeskreis schlagartig auf über 200 Personen und den Kreis der aktiven Facebook-Freunde auf knapp 20. Auch damit kam ich eine Weile gut zurecht, kannte ich doch immerhin noch jeder meiner "Freunde" persönlich und es war doch etwas mehr Betrieb auf meiner Pinnwand, wenn auch noch nicht wirklich allzu viel Trubel. Bald einmal las ich auf Pinnwänden Statements oder Kommentare mir unbekannter Facebook-Mitglieder und ich musste einsehen, dass der eine oder andere bedeutend spannender war, als die mir bekannten 200, die ich bereits hortete. Und so wurde ich weltoffener und risikofreudiger und fing an, Menschen anzufragen, die ich zwar nicht kannte, die mich aber interessierten, weil sie besonders geistreiche oder aber ausgeprochen lustige Dinge schrieben. Bei Anfragen von Fremden war ich nach wie vor zurückhaltender und prüfte den gemeinsamen Freundeskreis, so wie Sie es auch zu tun pflegen. Und war mal ein besonders attraktives Bild dabei, so war auch ich etwas lascher, das gebe ich gerne zu. Und so ist mein Freundeskreis die letzten Jahre auf genau 575 Freunde herangewachsen, und zwar ziemlich organisch und ohne jeglichen Ehrgeiz, möglichst viele Freunde in möglichst kurzer Zeit zu sammeln.

Mit diesen 575 teile ich tagtäglich Persönliches aus meinem Leben ohne mich oder meine Seele zu verkaufen. Ich poste, wenn ich etwas besonders lustiges erlebe und betone immer mal wieder die Vorteile eines klassischen Käsefondues. So ziehen die Tage ins Land und ich vergesse mit viel Grossmut die 92 % oder umgerechnet 529 Freunde, die selber nie etwas posten, nie etwas von sich preisgeben, aber still mitlesen und immer wissen, was ich schreibe. Von Zeit zu Zeit ärgern mich diese, weil ich mir einbilde, dass ein soziales Netzwerk von allen gepflegt werden und es eine Art 'Geben und Nehmen' sein sollte und dann plustere ich mich auf wie ein verwöhnte Diva und drohe diesen mit dem finalen Rausschmiss um mich Stunden später dann doch dagegen zu entschliessen, weil eine Trennung immer etwas trauriges in sich birgt, selbst auf Facebook.

Sie sehen Frau Bencze, es geht mir ganz ähnlich wie Ihnen und seit ich mir diesen Blog geschenkt habe, vor etwas mehr als einem Monat, stapeln sich weitere 100 Anfragen und ich drücke mich davor, eine Entscheidung zu treffen und lasse die meisten unhöflich auf Antwort warten.

Bei Ihnen würde ich allerdings eine Ausnahme machen, ist Ihre Anfrage doch im höchsten Masse gewinnend. Ich überlege mir allerdings noch, ob ich mich erst zieren und auf den besagten Tee einladen lassen, oder Sie gleich selber adden sollte. Meine Referenzen sind einwandfrei, wenn man den ein oder anderen Künstler in meinem Portfolio mal kurzfristig verdrängt und ich würde mich auch bemühen, immer möglichst gut auszuschauen.

Ich benutze Facebook übrigens auf Deutsch und darum ist es mir bis anhin entgangen, dass 'à jour bleiben' eine englische Redensart ist, aber es ist bei weitem nicht das einzige, was mir entgeht und darum werde ich auch damit leben müssen.

Es würde mich also sehr freuen, wenn wir schon bald Freunde würden auf Facebook und den Tee sollten wir auch trinken, damit Sie diesen mutigen Schritt mit Ihrem Gewissen vereinbaren können. Nun bleibt nur noch die Frage: Sie oder ich, wer wagt den ersten Schritt?

Erwartungsvoll, Ihre Kafi.

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