Liebe Frau Freitag, meine elfjährige (natürlich auch schöne!) Beziehung kriselt schon länger und nun versuchen wir es mit einer Pause. Mir fällt es so schwer zu unterscheiden, ob mein Partner nicht mehr der Richtige ist (ich habe mich so verändert), oder ob ich einfach zu blöd bin, zufrieden zu sein. Keine Beziehung ist perfekt. Das weiß ich im Kopf, aber meine Sehnsucht rebelliert immer wieder und bahnt sich ihren Weg. Wann weiß ich, ob es Zeit ist, zu gehen? Und woher weiß ich, dass meine Beziehungsprobleme nicht meine zutiefst eigenen sind, die ich mitnehmen werde... Nach dem Studium mehrerer Beziehungsratgeber habe ich den Eindruck, ich arbeite einfach nicht hart genug an meiner Partnerschaft. Und ich DARF gar nicht gehen. Beziehungen müssen gerettet werden... Beim nächsten ist alles genauso...bla bla. Aber in mir gibt es den naiven Wunsch, nach dem großen Glück zu suchen, das es vermutlich nicht gibt. Haben mich meine Sehnsüchte vergiftet? Ihre Cornelia, 31
Liebe Cornelia
Ich habe schon von vielem gehört, aber noch nie von Sehnsüchten, die jemanden vergiftet haben. Im Gegenteil; es sind die Sehnsüchte, die uns am Leben erhalten und die unerfüllten Träume halten unsere Seelen wach. Darum sollten Sie ihrem Sehnen freien Lauf lassen, anstatt ihm Böses zu unterstellen.
Sie sind nun seit elf Jahren ein Paar und haben die Jahre von Zwanzig bis Anfang Dreissig zusammen erlebt, schon allein dafür bewundere ich Sie beide sehr. Schliesslich verändert man sich wahrscheinlich in keinem Zeitabschnitt so sehr, wie in diesem. Man wird vom Jugendlichen zum Erwachsenen und sucht nach Zielen und einem gangbaren Weg dorthin. Diesen sind Sie beide zusammen gegangen und merken nun, dass es schwieriger wird, ihn weiterhin zusammen zu gehen. Sie schreiben von Ihrer Veränderung, aber Ihr Mann wird sich bestimmt auch sehr verändert haben, so hoffe ich zumindest. Von gemeinsamen Kindern schreiben Sie dafür nicht und darum gehe ich davon aus, dass es keine gibt. Dies gibt ihnen beiden mehr Spielraum. Sie müssen nicht, wie so viele andere, der Kinder wegen zusammenbleiben. Wenn Sie beide ein Paar bleiben, dann nur, weil Sie es so entscheiden und nicht weil familiäre Verpflichtungen oder äussere Zwänge sie dazu verdonnern. Ist dies nicht eine wunderbare Autonomie, die Sie beide da haben? Sie können auf ewig verbandelt bleiben, oder morgen getrennte Wege gehen und müssen nur vor sich selber gerade stehen, das müssen Sie sich einmal bewusst machen!
Ich bin - ähnlich wie Ihre Beziehungsratgeber - auch der Meinung, dass es sich lohnt, Beziehungen zu retten und dafür zu kämpfen. Aber nicht um jeden Preis. Und ja, vielleicht wird beim nächsten Mann alles wieder gleich und vielleicht werden Sie auch mit denselben eigenen Mustern konfrontiert, aber es kann genau so anders sein, das wissen wir beide nicht, dafür wissen wir um so besser, dass Beziehungen nie perfekt sind, aber das müssen sie gottlob auch nicht sein. Und dass Sie zum Glücklichsein zu blöd sein könnten, ist natürlich eine weitere Möglichkeit, aber Blödheit ist in der Regel nicht behandelbar und darum dürfen Sie diesen Aspekt getrost vernachlässigen.
Liebe Cornelia, ich kann Ihnen die Entscheidung beim besten Willen nicht abnehmen, die müssen Sie zusammen mit Ihrem Mann treffen. Reden Sie so offen, wie es Ihnen beiden möglich ist, miteinander. Legen Sie ihre Sehnsüchte offen und auch Ihre Wünsche und Ängste. Es kann sehr gut sein, dass Ihr Mann dieselben in sich trägt. Vielleicht reicht es, dass es einmal offen ausgesprochen wurde, um Druck von der Beziehung zu nehmen und die schönen Seiten wieder vermehrt zu spüren. Oder aber es wird deutlich, dass der gemeinsame Weg zu Ende geht und Sie beide einen eigenen suchen müssen. Lassen Sie sich genügend Zeit um herauszufinden, was Sie wirklich möchten. Sie schreiben von einer Beziehungs-Pause und diese wird Ihnen sicher die Möglichkeit geben, diesen Fragen in Ruhe nachzuhängen. Vielleicht gibt diese auch Raum, sich mit neuen Augen zu sehen und zu begegnen und es kann gut sein, dass dadurch an Klarheit gewinnt, warum sie beide solange beeinander geblieben sind. Ausserdem kann es sehr sinnvoll sein, sich in dieser Phase von einem guten Paartherapeuten unterstützen zu lassen um einen neutralen und geschützten Rahmen für diese Gespräche zu haben.
Wie auch immer Sie sich entscheiden mögen, versuchen Sie ehrlich und aufrichtig zu sich und Ihrem Gegenüber zu sein und gehen Sie fair und respektvoll miteinander um. Sie haben eine sehr wichtige Zeit miteinander verbracht und sind zusammen erwachsen geworden und es ist wichtig, dieser Tatsache mit Dankbarkeit zu begegnen.
Ich wünsche Ihnen beiden viel Kraft und Zuversicht. Alles Liebe. Ihre Kafi