Liebe Kaffi, vielen Dank, dass du mir (und vielen anderen) schon so viele Male ein Lächeln oder ein Schmunzeln aufs Gesicht gezaubert hast. Deine Antworten sind immer sehr bedacht, stinkehrlich und gut gewählt. Deshalb ist meine Frage an dich: Was möchtest du wissen? Deborah, 29
Liebe Deborah
Es gibt so viele Fragen, die mich immer wieder umtreiben. Einige begleiten mich schon ein Leben lang, andere sind jünger und quälen mich richtiggehend. Viele drehen sich um den Sinn oder Unsinn des Lebens, einige sind existenziell, andere eher trivial.
Gerne will ich Ihnen hier eine kleine Auswahl davon offenbaren. Ich habe bewusst nach Schweregrad sortiert und werde mit den weniger drückenden enden. Schliesslich hat der Himmel nach all dem Regen aufgerissen und ich möchte Ihnen nicht Ihr bezauberndes Lächeln stehlen.
In den letzten Jahren sind einige furchtbar schlimme Tragödien geschehen, die mich tief im Herzen nie mehr loslassen werden. Utoya, Visp, ein Flieger, der für immer verschwindet, ein anderer wird mutwillig vom Himmel geholt. Diese Nachrichten haben bei mir alle die gleiche Frage zurückgelassen: Wie kann man den Verlust eines Kindes verkraften? Wie kann man darüber hinwegkommen, wenn einem das Allerliebste genommen wird? Wenn es mit dem Rucksäckli in einen Schulbus oder einen Flieger steigt, und nie mehr wieder zurück kommt. Ich frage mich das Gleiche auch, wenn man sein Kind an eine Krankheit oder in einem Unfall verliert. Könnte mein Leben mich halten, wenn ich damit konfrontiert würde?
Es umtreibt mich sehr, wie sich ein Leben auf der Flucht anfühlt. Wie es für all die Millionen von Menschen sein muss, ohne ein Daheim, ohne Perspektive zu sein.
Wer entscheidet, ob ich als privilegiertes Mädchen in der Schweiz zur Welt komme, oder in einem Slum in Indien?
Wenn ich im Strassenverkehr unterwegs bin und erkennen muss, dass 80% der Autofahrer ihr Mobiltelefon in der Hand halten, um damit zu telefonieren oder sogar SMS zu schreiben, dann hinterlässt das bei mir auch viele Fragen. Ich verstehe nicht, wie man dieses Risiko eingehen kann, obwohl man doch weiss, dass einem das Hantieren mit dem Gerät fahruntauglicher macht, als wenn man betrunken am Steuer sitzt. Ich frage mich, warum unsere Gesetze nicht viel härter damit ins Gericht gehen und wie es möglich ist, dass es beinahe schon zur Normalität wird. Ich frage mich, ob mein Leben noch einen Wert hätte, wenn ich wegen solch einer furchtbaren Dummheit das Leben eines anderen Menschen zerstört hätte. Und ich möchte wissen, ob all die Menschen da draussen, die am Steuer Mitteilungen eintippen, sich diese Frage auch manchmal stellen.
Ich frage mich, wohin mein schleichender Vegetarismus mich noch führen wird. (Denn seit ich jeden Tag grüne Smoothies trinke, kann ich Fleisch kaum mehr ansehen.)
Müssen die Medien in ihrer reisserischen Berichterstattung tatsächlich immer noch einen Zacken weitergehen oder führt irgendwann mal wieder ein Weg zurück?
Was ist aus der Ehe von Stefan geworden, dem ich im Februar vor einem Jahr dermassen den Kopf gewaschen habe, dass mir heute noch die Hand wehtut und der sich danach für die Abreibung bei mir bedankt hat?
Wie viel Mahngebühren muss ich noch bezahlen, bevor mir die Pestalozzi Bibliothek ganz gehört?
Warum schlägt mein Herz plötzlich deutsch, kaum dass die deutsche Nationalelf auf dem Rasen steht?
Habe ich wirklich noch kein einziges graues Haar oder sind mein Mann und mein Friseur einfach zu charmant, um es mir zu sagen?
Warum zum Teufel schreiben Sie Kafi mit 2 F?
Viele Fragen. Und kaum Antworten. Vielleicht liebe ich darum meine Kolumne so sehr, weil sie mich vor dem Zermürben ob all den Fragestellungen ablenkt? Wie dem auch sei. Danke für Ihre Frage. Es hat gut getan, diese mal etwas zu sortieren. Und danke für Ihre netten Worte. Ich hoffe, das mit dem Lächeln zaubern gelingt mir bald wieder.
Alles Liebe! Ihre Kafi.