Liebe Kafi. Ehrlich gesagt bin ich ein Fan von Ihnen geworden und bin über ihre Antworten immer wieder gleichermassen erstaunt wie erfreut. Allerdings bin ich mir echt nicht sicher, ob Sie auf dieses meine momentanes Problem eine wissen… Ich bin alleinerziehende Mutter von 4 Kindern. Daneben arbeite ich selbstständig, dh kann meine Arbeitszeiten den Bedürftnissen der Kinder anpassen - was sich zB darin äussert, dass ich oft nachts arbeite, wenn die Kinder schlafen, in einem Beruf, den ich sehr mag. In der Nachbarschaft kennt man mich als zuverlässige, lebenslustige und hilfsbereite Powerfrau, die den Laden im Griff hat....Langsam stelle ich bei mir aber Verschleisserscheinungen fest, was mich beunruhigt. Hab nicht mehr die Nerven wie früher... Habe vieles schon erkannt, schaffe mir kleine Freiräume wo ich kann, schränke die Arbeit nachts ein, schaue auf guten Lebensrhythmus etc, dazu habe ich ja jedes zweite Wochenende plusminus kinderfrei, das sollte doch reichen. Tut es aber nicht. Habe nicht mehr die Nerven mit den Kindern, die ich früher kannte. Grosseltern sind keine da. In der Nachbarschaft habe ich ein gutes Netz, das ich gut ausnütze, finanziell kommen wir einfach, aber gut über die Runden. Trotzdem komme ich zb vor den Schulferien, wenn sich die Termine der Kinder häufen, oder wenn alle länger krank sind, und irgendwie häufen sich die Gründe in letzter Zeit , an die Grenzen. Dazu kommen die beiden grossen nun in die Pubertät, was enorm Kraft braucht. Und ich, die das früher nie zugegeben hätte, muss sagen: Ich bin manchmal am Ende. So geht es nicht weiter. Aber wie? Fiona, 41
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Liebe Fiona
Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen, ich habe mich sehr darüber gefreut. Und auch Sie haben mich grad gleichermassen erfreut wie erstaunt. Wie Sie das alleine mit 4 Kindern schaffen! Und zwei davon im adoleszenten Ausnahmezustand, meine volle Bewunderung soll Ihnen gewiss sein!
Ich kann mich nur zu gut an die Zeit erinnern, als mein Sohn noch kleiner war und mir jeglichen Nerv geraubt hat, von dem ich noch nicht einmal wusste, dass ich ihn besitzen würde. Bereits der Anblick von einer Mutter mit mehreren Kindern, die allesamt in eine andere Himmelsrichtung gesemmelt sind, hat mich innerlich in die Knie gezwungen. Dass ich zu dieser Zeit einen massiven Eisenmangel hatte, hat die Sache auch nicht gerade besser gemacht. Ganz im Gegenteil.
Und da wäre auch schon mein erster, praktischer Rat an Sie. Falls Ihre nervliche Dünnhäutigkeit wie aus dem Nichts aufgetaucht ist, ohne dass sich Ihre eh schon anspruchsvollen Rahmenbedingungen gross verändert hätten, dann kann das ein Zeichen für zu wenig Eisen oder Vitamin B12 sein. Lassen Sie beides von Ihrem Hausarzt abchecken und bestehen Sie auf Eisenspritzen, falls Ihr Ferritin-Wert unter 100 liegen sollte. Ich weiss, dass es Mediziner gibt, die einen Wert von <100 als ausreichend bezeichnen, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das echte Leben nach mehr Eisen schreit.
Aber grundsätzlich reicht Ihr turbulentes Leben bereits aus, um sich etwas ausgelaugt zu fühlen. Jeder, der schon mit Jugendlichen in der Pubertät zu tun hatte, weiss, dass man eigentlich einen konstanten Prozac-Spiegel bräuchte, um diese Phase unbeschadet zu überstehen. Seien Sie darum bitte nachsichtig mit sich selber! Ihr daily business ist mit grosser Sicherheit anspruchsvoller, als das eines Grossbankmanagers. Und dann schieben Sie "nebenher" auch noch die Nachtschichten, in denen Sie ungestört arbeiten können.
Machen Sie sich bitte einmal selber bewusst, was Sie alles leisten! Und dann könnte ich mir gut vorstellen, dass Sie auch noch die sind, die zusätzlich noch die Kinder der Nachbarinnen hütet. Und den Hund von nebenan. Schliesslich haben Sie eh schon Full House, da kommt es dann auf ein oder zwei zusätzliche Gofen auch nicht mehr an, oder? Ihr Image als Powerfrau, die alles im Griff hat, begünstigt diesen Zustand zusätzlich. Schliesslich sind Sie keine Jammertante, die dafür bekannt ist, dass Ihr alles über den Kopf wächst.
Und genau hier liegt ein Teil Ihres Problems. Wenn man Sie immer nur als diese Superwoman wahrnimmt, dann kommt auch keiner auf die Idee, Ihnen Unterstützung anzubieten. Wofür auch, Sie brauchen sie ja nicht! Fangen Sie darum Schritt für Schritt an, Mitmenschen in Ihr Leben mit einzubeziehen. Es ist vollkommen ok, wenn Sie um Hilfe und Unterstützung bitten. Und es ist auch ok, wenn Sie 'Nein' sagen zu Zusatzaufgaben, die man Ihnen gerne überträgt. Sie haben vier Kinder und ich hoffe sehr, dass Sie schlau genug waren, jedem einen Götti und eine Gotte (für meine deutschen Leser: Pate/Patin) zur Seite zu stellen. Falls ja, haben Sie acht Personen, die Ihnen unter die Arme greifen können. Falls nein, organisieren Sie sofort eine Massentaufe und holen Sie es nach! Lassen Sie Ihre Hosen ein Stück herunter und gestehen Sie sich und Ihrem Umfeld ein, dass Sie Unterstützung brauchen. Jeder, der selber Kinder hat, kann das verstehen! Und den anderen drücken Sie mal ein paar Stunden Ihre auf.
Nehmen Sie Ihre Symptome bitte ernst! Wir Frauen sind von Natur aus Kämpferinnen, die erst aufgeben, wenn es gar nicht mehr geht. Tun Sie sich und mir den Gefallen und ändern Sie vorher etwas in Ihrem Leben. Seien Sie sich am Nächsten. Das hat mit Egoismus nichts zu tun. Nur mit Selbsterhalt.
Alles Liebe und viel Kraft! Ihre Kafi.