Liebe Kafi. Ich bin leider inzwischen in einem Alter, in dem man(n) seine Figur ohne Sport kaum halten kann. Womit und wie soll ich aber anfangen? Manuel, 42
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Lieber Manuel
Sind Sie ganz sicher, dass Sie diese Frage mir stellen wollten? Wirklich mir? Echt jetzt? Mir, der absoluten Sporthasserin und Sportlerverachterin, die immer von großem Mitleid geschüttelt wird, wenn sie von all den Verrückten hört, die sich Abend für Abend im Sportstudio abstrampeln oder frühmorgens durch den urbanen Nebel joggen? Mir, die sich in den sehr aktiven Jahren zwischen acht und dreizehn als Kunstturnerin zwei Schlottergelenke eingeturnt hat, die sie seither vollkommen zuverlässig vor allem beschützen, was anstrengender ist als schnelles Gehen? Haben Sie vielleicht sogar genau deswegen Ihre Frage an mich gerichtet, weil Sie darauf hoffen, dass ich Ihnen den Sport verbiete?
Wenn nicht, sollten Sie jetzt schnell wegzappen. Denn ich werde Ihnen den Sport verbieten. Zumindest jeglichen Sport, der nur das Einfrieren des körperlichen Außenzustands im Sinn hat. Ich kann schließlich nicht gegen den total verrückten Abnehm- und Fitnesswahn sein und gleichzeitig Kardioschrott propagieren. Das wäre absoluter Nonsens, und ich habe was gegen absoluten Nonsens. Darum, lieber Manuel: Wenn Sie bis heute ohne Sport ausgekommen sind, sollten Sie nicht urplötzlich damit beginnen. Das wäre ein zu großer Schock für Ihren ausgeruhten Körper, den er Ihnen vermutlich nicht so schnell wieder verzeihen könnte. Versuchen Sie es stattdessen mit gemäßigten Formen wie zum Beispiel dem zügigen Gehen auf dem Arbeitsweg. Oder wie wäre es mit einem abendlichen Spaziergang mit der Liebsten? Ich sage Ihnen ja nicht, dass Sie sich überhaupt nicht bewegen sollen. Aber bitte nicht der Linie wegen, sondern weil Sie zum Bewegen konzipiert wurden. Vor allem und in erster Linie, um sich vorwärtszubewegen. Ich stehe auf Menschen, die gerne zu Fuß gehen. Aber nicht auf solche, die auf einem Laufband lustlos ihrem Wahn hinterherrennen.
Da ist mir der Mann, der nur rein zufällig einem Mitglied meines Haushalts ähnelt und der mich mit dem Kauf von ein paar wahnsinnig dringend benötigten Fußballschuhen letztens beinahe in den Wahnsinn getrieben hat (zu wenig schön, zu wenig Leder, zu bunt, zu blass, zu hart, zu weich, zu hell, zu dunkel, zu glänzend, zu matt), weil ich für den Marathon durch fünf(!) Sportgeschäfte im In- und angrenzenden Ausland eigentlich einen Sport-BH hätte tragen müssen, dann doch lieber. Er hat sie schließlich ein einziges Mal bei einem Fußballmatch gegen eine Handvoll gefühlter Dreijähriger getragen und sich dabei den Finger vermutlich gebrochen, den er seither selbstständig und penibel pflegt (er ist schließlich ein richtiger Kerl und geht wegen eines vermutlich gebrochenen Fingers sicher nicht zum Arzt, wäre doch gelacht!), während die glänzenden Schuhe nahe der Haustür strammstehen wie noch nicht von Angelina Jolie adoptierte Waisenbrüder und sehnsüchtig auf ihr Glück warten. Und während sie dort stehen und auf ihr Glück warten, bin ich bereits im Glück und freue mich darüber, dass der Mann, der nur rein zufällig einem Mitglied meines Haushalts ähnelt, sich mehr für den Kauf als die Benutzung von Sportschuhen interessiert. Denn solange dem so ist, muss auch ich mich nicht weiter um die sachgemäße Anwendung meiner sportlich angehauchten Adidas-Schuhe kümmern, sondern kann diese weiterhin zum kurzen Kleid tragen und auf meinem Fahrrad in behäbiger Langsamkeit von A nach B fahren, ohne dabei an einen Marathon denken zu müssen.
Mit bestem Gruß. Ihre Kafi.