Liebe Kafi, ich habe eine Frage, die mir seit Tagen unter den Nägeln brennt und für deren Beantwortung ich hier in der Schweiz keinen geeigneteren und liebevolleren Menschen kenne, als Dich: Wohin kann ich mich wenden, um durch persönliches Engagement Flüchlingen hier beim Ankommen bzw. Hiersein zu helfen? Ich meine so Sachen wie - mit Malsachen und einem Fussball hingehen und mit den Kindern spielen. Momentan fällt mir noch nicht mehr ein, aber ich denke, wenn ich einmal dort war, werde ich noch viele Ideen haben, wie ich sie einfach von einem Menschen zu einem anderen Menschen unterstützen kann. Ich danke Dir schon jetzt und freue mich auf Deine Antwort. Carolin, 38
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Liebe Carolin
Ihre Frage, sie liegt schon etwas länger bei mir im Postfach. Auch ich bin schon eine ganze Weile mit dem Thema schwanger gegangen und war doch recht onmächtig, weil ich nicht wusste, was zu tun ist. Als das Bild des kleinen Jungen am Strand hundertfach in der FB-Timeline erschien, war es für mich wirklich zu viel. Es berührte mich an einem Punkt, wo meine monatliche Spende an die Ärzte ohne Grenzen nicht mehr zu reichen schien. Ich rief ein paar Stellen an, um eine Flüchtlingsfamilie bei mir unterzubringen. Aber keine der Stellen hatte eine Familie, die es unterzubringen galt. Ich begriff, dass die Flüchtlinge nicht den Weg in die Schweiz suchen, sondern nach Deutschland wollen, weil das Asylgesetz dort mehr für sie hergibt und viele Menschen bereits Freunde und Familie vor Ort haben. Darum habe ich das getan, was wir Schweizer vermutlich am Besten können. Ich habe noch mehr Geld gespendet. Und meine Facebook Community aufgerufen, es ebenfalls zu tun.
In wenigen Tagen kamen auf diesem Weg unglaubliche 164 Spenden zusammen. 164 Menschen haben ihr Herz und ihr Portemonnaie geöffnet, haben Organisationen wie MSF, Unicef, Seawatch.org, amalousalamsuisse.org oder einer ähnlichen Organisation gespendet und mir ihre Spendennachweise gemailt. 164 Menschen haben bewiesen, dass wir eine Kette der Solidarität bilden können, welche ein paar Frauen, Männer und Kinder ein besseres Leben auf der Flucht ermöglichen oder sogar der Start in ein besseres Leben in einem sicheren Land.
Sie und ich, wir leben im vermutlich sichersten Land dieser Welt. Und auch noch in einem der wohlhabendsten. Trotzdem schaffen wir es nicht, unsere Grenzen soweit einzureissen, dass Menschen, die auf der Suche nach einer Perspektive sind, hier ihre Chance bekommen. Wir tun so, als wäre es ein Geburtsrecht, hier zu leben und nicht, wie es tatsächlich der Fall ist, reiner Zufall. Und saumässig viel Glück. Unter uns leben viele Menschen, die auch gerne Mauern und Zäune um unser Land ziehen möchten und die ein Klima der Angst und des Argwohns schüren. Diese Menschen schrecken auch nicht davor, zurück, wenn es darum geht, das Bild dieses kleinen Jungen für ihre Propagandazwecke zu nutzen.
Unsere Spenden haben gezeigt, dass wir solidarische Gefühle in uns tragen und bereit sind, Verantwortung zu tragen für Missstände, die zwar anderswo geschehen, für die wir aber auch mitverantwortlich sind. Wir können in Heimen vor Ort Aufgaben übernehmen und uns mit den Menschen auseinandersetzen, die bereits zu uns gekommen sind. Mindestens so richtig, wenn nicht sogar wichtiger scheint mir aber, dass wir jetzt auch auf politischer Ebene aufstehen und klare Zeichen setzen.
Wir müssen endlich aufstehen und zeigen, in welche Richtung wir unser Land entwickeln wollen. Diese Entscheidung können wir nur an der Urne treffen und es ist unsere heilige Pflicht, das zu tun!