Liebe Kafi, ich habe heute ein Frage, die mich sehr beschäftigt, da ich momentan nicht ganz sicher bin, was Freundschaft eigentlich bedeutet. Einige meiner Schulfreundinnen fangen jetzt an mit dem Ernst des Lebens, das heisst sie setzen Kinder in die Welt und/oder heiraten. Ich habe zwar seit einigen Jahren nicht mehr den regen Kontakt zu meiner früheren Clique aber trotzdem werde ich zu den Junggesellinnen-Abschiedsorgien eingeladen (so gesehen bin ich ja also ein fester Bestandteil der Gruppe wenn es darum geht Stimmung zu machen). Es gibt da nun aber meine ehemals beste und engste Freundin, mit der ich die gesamte Schulzeit verbracht habe (insgesamt 13 Jahre), die nun auch in den Club der Verheirateten eintreten wird. Wir haben uns als 12-jährige mal fest versprochen die Brautjungfer auf der Hochzeit der anderen zu sein. Jetzt bin ich aber zu dieser Hochzeit nicht einmal eingeladen, soll mir aber für den Junggesellinnen-Abschied Zeit nehmen. Das trifft mich doch sehr und ich weiss nicht, ob ich ihr unter diesen Umständen die Ehre auf ihrer Party erweisen soll. Ist das nur mein gekränkter Stolz? Ich wäre sehr dankbar um deinen Ratschlag. Wie verhält man sich als (nicht mehr engste) Freundin richtig? Thilda, 26
Liebe Thilda
Als ich Ihre Frage gelesen habe, war mein erster Gedanke: Frechheit, so was! Und unverschämt und überhaupt! Als die vielen Ausrufezeichen dann aber etwas verhallt waren, dachte ich etwas weiter. Rückwärts. In meine eigene Kindheit und in die Jugendjahre, zu den engen Freundschaften und Beziehungen dieser Zeit. Und mir wurde ganz anders. Mir fielen ein paar wenige der vielen Schwüre ein, die man vor der Pubertät so ablegt. An die vielen Gelübde, während und nach der Adoleszenz, konnte ich mich leider bedeutend besser erinnern. Und wissen Sie was? Wenn ich all die Menschen, denen ich einen Posten als Brautjungfer oder ähnliches versprochen habe, einladen würde, meine Hochzeit würde einer Freakshow gleichen!
Vielleicht liegt es daran, dass ich elf Jahre älter bin als sie, aber ich habe in der Zwischenzeit so viele Menschen getroffen, die mir zwischenzeitlich enger stehen und demzufolge eher zu meiner Hochzeitsfeier gehörten, als die Freunde von damals. Insofern können Sie sich eigentlich geehrt fühlen, dass Sie Teil davon sein sollen. Dass Sie vierzehn Jahre nach dem abgelegten Eid nicht mehr als Brautjungfer aufgestellt sind, sollten Sie dabei grosszügig übersehen. Es ist einiges an Zeit vergangen seither und es wäre seltsam, wenn Ihre Freundin in der Zwischenzeit keine neuen Freundschaften eingegangen wäre, finden Sie nicht?
Und dass Sie zum Junggesellinnen-Abschied eingeladen sind, und nicht zur todlangweiligen Trauung, sollte Sie auch nicht zu sehr beschäftigen. Eine Hochzeitsfeier ist eine sauteure Angelegenheit und die wenigsten können es sich leisten, alle Menschen einzuladen, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben. Und vielleicht ist es auch ein Zeichen dafür, dass Sie zum Zeitabschnitt gehören, den Ihre Freundin ungebunden verlebt hat, während neuere Freundschaften eher Teil ihres neuen Lebens als verheiratete Frau sind. Das mag Sie im Moment womöglich kränken, aber es ist die Realität. Darum lassen Sie alte Schwüre nicht zu neuen Geschwüren werden, das bringt nichts. Wenn Sie Lust haben, gehen Sie hin. Wenn nicht, dann nicht.
Und im übrigen sind Gelübde allgemein nicht mehr, was sie einmal waren. Auch wenn Ihre Freundin ihrem Liebsten demnächst die ewige Liebe und Treue schwören wird, so wissen wir doch aus der Statistik, dass Sie ihn mit 43%iger Sicherheit nicht halten wird.
Herzlichen Gruss, Ihre Kafi.