Liebe Kafi, Ich habe mit meinem Ex-Freund ein halbes Jahr eine Beziehung geführt, die nicht immer einfach war. Am Ende haben wir wöchentlich ein Beziehungsgespräch geführt. Ich habe mich stets zu wenig geliebt gefühlt und nach meinem Ermessen zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Da wir damals eine Wochenendbeziehung hatten, konnte ich es freitags gar nicht abwarten, ihn zu sehen. Er hingegen hätte am liebsten erst einmal ein paar Stunden mit sich verbracht. Jetzt, über ein halbes Jahr später hat er mir gestanden, dass die Beziehung für ihn vor allem Stress bedeutete, er konnte sich nie fallen lassen. Ich habe die Beziehung irgendwann beendet und gehofft, dass er um mich kämpft. Hat er allerdings nie. Dann haben wir uns zum Gespräch getroffen. Ich wollte, dass er sich endlich klar für mich entscheidet und er wollte Zeit mit mir verbringen um sich über seine Gefühle klar zu werden. Er hat Angst vor einem erneuten Scheitern, denkt, dass er mir als zukünftiger Arzt nie die Aufmerksamkeit schenken kann die ich mir wünsche. Naja irgendwann hatte ich ihn jedenfalls wieder so unter Druck gesetzt, dass er mir gesagt hat, er kann momentan mit keinem guten Gefühl in eine Beziehung eingehen. Ich bin daraufhin gegangen. Frage Nr. 1: Wenn ein Mann viel Zeit für sich braucht, bedeutet es, dass er nicht genug für den anderen empfindet? Frage 2: Wenn sich ein Mann nicht klar für Dich entscheidet, dann entscheidet er sich gegen Dich? Oder hat der Kopf da wirklich mehr Mitspracherecht als das Herz? Charlotte, 26
Liebe Charlotte
Ich weiss, wie man einen Autoreifen wechselt und ich kann mit etwas Bedenkfrist das Sonnensystem erklären. Ich habe gelernt, wie sich das Bruttoinlandsprodukt berechnen lässt und kenne das Vorgehen, wie man sich als Schweizerin einen Deutschen Pass erschleicht. Ich kann die Kreditkartennummer meines ehemaligen Chefs auswendig aufsagen und weiss, wie man sich mit einem Koffer voller Schmuggelware am Zöllner vorbeilächelt. Das alles weiss ich und noch so vieles mehr. Wenn es aber etwas gibt, von dem ich nun wirklich nichts verstehe, dann sind es die Kommaregeln und was in den Köpfen von Männern vorgeht.
Was Sie mir da beschreiben habe ich auch schon erlebt, es ist noch nicht allzu lange her. Ich habe mich auch ein halbes Jahr abgemüht mit einem Mann, der hauptsächlich mit sich selber beschäftigt war und darüber hinaus keine Kapazität für anderes hatte. Es war - genau so wie bei Ihnen - ein ewiges hin und her und mehr Kampf als Vergnügen. Im Nachhinein weiss ich nur soviel, dass es ein verlorenes halbes Jahr war, dass ich mir hätte schenken können. Und ähnlich klingt es auch bei Ihnen. Sie haben Zeit und Gefühle investiert in einen Typen, der komplett anders tickt als Sie. Das können Sie noch die nächsten 25 Jahre tun, er wird sich nicht ändern, es ist verlorene Liebesmüh.
Vielleicht mache ich es mir zu einfach, wenn ich behaupte, dass das erste halbe Jahr mehrheitlich unkompliziert verlaufen sollte. Die Brille wird niemals mehr so rosig sein, wie in dieser ersten Zeit und wenn man sich da schon nicht findet, wird es vermutlich danach auch nicht mehr geschehen. Ich kenne Paare, die sich nach zwei Monaten in Paartherapie begaben und sich nach teuren fünf weiteren dann doch trennten. Natürlich braucht es Zeit, wenn sich zwei erwachsene Menschen aufeinander einlassen, schliesslich prallen Werte, Kulturen und Einstellungen aufeinander. Das gibt viel zu reden und ist eine spannende Zeit. Aber wenn es dahin führt, dass man nur noch auf der Metaebene über die Beziehung diskutiert, dann ist es kein gutes Zeichen.
Geben Sie sich und ihn frei. Der Sommer ist noch jung und Sie ebenso. Sie werden noch einigen Männern über den Weg laufen und es wird einer darunter sein, der es schon Mitte Woche nicht mehr aushält und liebestrunken vor Ihrer Haustür steht.
Alles Gute und viel Liebe. Ihre Kafi.