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Liebe Kafi. Ich stecke in der Klemme. Eine Bekannte, die ein gleichaltriges Kind hat wie ich, ist erneut schwanger und hat mich angefragt, ob ich Patin werden würde. Ich bin total überrumpelt, da die Frau keine Freundin von mir ist. Ich verabrede mich eher mit ihr, weil die Kinder es gut miteinander haben. Was soll ich tun? Selina, 34

Liebe Selina

Ach, was bin ich doch froh, dass mein Sohn aus dem Alter raus ist, in dem man gemeinsam mit anderen Müttern am Sandkastenrand steht! Es ergeht Ihnen so, wie es wohl allen Frauen ergeht, die ein Kind bekommen. Man geht Zwecksbeziehungen ein. Schließlich sind die besten Freundinnen selten gleichzeitig schwanger. Und mit jemandem muss man sich ja über die Schwangerschaftsstreifen und die Farbe der Babykacke auslassen.

Das erging mir nicht anders. Ich rutschte in eine Frauengruppe rein, die sich hochschwanger zum Yoga traf und dort gemeinsam die Heldenstellung andeutete. Danach traf man sich weiter im Park oder spazierte den Uetliberg hinauf und hinunter. Ich hatte das riesengroße Glück, dass zwei Frauen aus diesem Dunstkreis zu meinen engsten Freundinnen wurden. Bei den anderen dreien wechsle ich eher die Straßenseite, als dass ich zum Plaudern stehen bleibe. Es mag ja für die Dauer von ein paar Monaten reichen, dass man die kleinen Kinder als einzigen gemeinsamen Nenner hat, für eine längerfristige Freundschaft reicht es aber nicht!

Vielleicht bin ich altmodisch, aber für mich ist eine Patenschaft eine ernsthafte Sache. Natürlich ist es auch eine große Verantwortung, wenn man angefragt wird, ob man Trauzeuge oder Ähnliches sein will. Aber da eh jede zweite Ehe geschieden wird, muss man sich über die Langfristigkeit dieses Amts keine Sorgen machen. Das ist bei einer Patenschaft anders. Früher hat man dem Kind Paten zur Seite gestellt, damit es nicht alleine zurückbleibt, wenn den Eltern etwas zustößt. Es war tatsächlich eine Verpflichtung, für das Kind zu sorgen, wenn es einmal nötig werden würde. Heute würde ein Kind in einer Pflegefamilie platziert, sollte der Flieger mit den Eltern, die mal ohne Kind Urlaub machen wollten, abstürzen. Und dennoch ist es für mich eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe geblieben, die man nicht unüberlegt einfach jemandem anvertraut.

Darum würde ich Ihnen zur klaren Absage raten. Sagen Sie der Bekannten, dass Sie nicht imstande sind, eine so folgenschwere Verpflichtung anzunehmen. Sie dürfen gerne einen weitschweifigen Vortrag halten über die Ernsthaftigkeit dieser Aufgabe und darüber, wie sehr Ihr eigener Pate, der Ihnen achtzehn Jahre lang Seifenblasenflüssigkeit schenkte, versagt hat. Ein kleines Trauma Ihrerseits macht Sie weniger attraktiv für werdende Mütter. Meinetwegen dürfen Sie sogar ein paar imaginäre Patenkinder vorschieben, die bereits Ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Die meisten Menschen tun sowieso schon viel zu viel aus Höflichkeit und weil es schwierig ist, auf eine nett formulierte Anfrage Nein zu sagen. Hier geht es aber um ein Kind, das jemanden verdient hat, der ehrlich und aufrichtig interessiert ist. Das sind Sie nicht und das ist auch vollkommen ok so.

Mit herzlichem Gruß!. Ihre Kafi.

PS: Ich komme nicht umhin zu schreiben, dass ich ebenfalls kürzlich angefragt worden bin, ob ich Patin werden möchte, und mit großer Begeisterung und viel Herzblut zugesagt habe. Die Anfrage kam übrigens von einer der »Yogamütter«. Es scheint eben doch alles eine Frage des richtigen Kurses zu sein …

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