Liebe Kafi, mich würde einfach von dir interessieren, wie du über die heutigen Frauen in deiner Generation denkst. Denen Küche, Kochlöffel und Kochrezepte so fremd sind wie einem Japaner Fisch und Käse ...... ? Mittlerweile kenne ich viel zu viele junge Damen, die null Interesse zeigen an häuslicher und kulinarischer Sinnlichkeit, sondern ihre jungen Männer eher verhungern lassen, als sie etwas kartoffelstockmässig zu verwöhnen und sich bei Kerzenlicht sogar ins kleine Schwarze stürzen würden ..... !! — Es würde mir wahrscheinlich nicht so weh tun, wenn nicht meine zwei Söhne sogar in dieses Fettnäpfchen gestampft wären, kopflos, und entweder selber kochen oder in die Beiz gehen müssen. — Sie sind nicht die einzigen, meine Söhne, auch die meiner Freundinnen sind betroffen, und ich frage dich, liebe Kafi, was ist eigentlich los mit diesen jungen Frauen ? Warum ernähren sie sich fliegend oder viel zu fettig und sind dann superdünn oder rundlich bis zum Geht nicht Mehr ....... ? — Vielleicht kannst du mich etwas beruhigen, liebe Kafi, denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, wo die häusliche Heimeligkeit so noch hinführt, wenn in den Familien nur noch nebenbei gefuttert wird ........ ?? Ganz herzlich Béatrice, 64
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Liebe Béatrice
Als ich Ihre Frage gestern gelesen habe, ist mir im ersten Moment die Luft weggeblieben. Die Spucke übrigens auch. Darum war es nur gut, dass ich diese vielen Frage- und Ausrufezeichen und die vielen ... erst einmal eine Nacht lang habe sacken lassen, bevor ich mich an die Antwort gemacht habe.
Aber nun der Reihe nach. Wie Sie auf die Idee kommen, dass Japaner keine Ahnung von Fisch und Käse haben, ist mir vollkommen schleierhaft. Bevor McDonald's und andere schaurige Ketten das Land überzogen wie Heuschrecken, wurde dort nämlich eigentlich nichts anderes gegessen. Und auch noch heute ist Fisch das Nahrungsmittel Nr. 1 der Japaner. Und wenn Sie schon einmal in Japan waren, dann müssten Sie wissen, dass es dort Fisch schon zum Frühstück gibt. Was Käse anbelangt, haben Sie wenigstens zur Hälfte recht. Aber daran trägt der Japaner keine Schuld. Er kann nichts dafür, dass er Milchprodukte viel weniger gut verdauen kann als wir Europäer. Aber auch in Tokyo bekommt man ein tolles Fondue serviert, wenn einem danach ist! (Weil mir früher oder später immer danach ist, weiss ich auch wo.)
Nun zum Rest Ihrer Frage: Sie wollen wissen, was ich über die heutigen Frauen in meiner Generation denke. Das kann ich Ihnen sagen. Ich habe allerhöchste Hochachtung vor Ihnen. Weil sie anders als noch Generationen davor, viel mehr gleichzeitig leisten müssen. Während Frauen früher hauptsächlich für Haushalt und Kindererziehung verantwortlich waren, sind sie heute in der Regel auch noch berufstätig. Ob Voll- oder Teilzeit spielt dabei überhaupt keine Rolle. Sie gehen einer Arbeit nach, führen einen Haushalt und ziehen Kinder gross. Als ob die letzten beiden Punkte nicht schon Verantwortung genug wären!
Und auch wenn sich Mann und Frau oft die Erziehung und der Haushalt aufteilen, ist es dann doch meist die Mama, die mit dem kranken Kind zum Arzt geht oder es zu Hause gesund pflegt. Das ist meiner Meinung nach ein extrem anstrengender Spagat. Es gibt nicht allzuviele Jobs, die kinderfreundlich strukturiert sind und die Arbeit ohne schlechtes Gewissen ermöglichen. Die Frauen in meiner Generation sind ständig mit ihrem schlechten Gewissen konfrontiert. Wenn sie arbeiten, haben sie es gegenüber den Kindern. Wenn sie mit den Kindern zu Hause sind, gegenüber der Arbeit. Was ist das für ein Leben? (Aus dieser Tatsache heraus ist auch «Tribute» entstanden. Ein Hommage an alle Frauen jeglichen Alters.)
Da fehlt es gerade noch, dass Sie daher kommen und ihnen noch ein weiteres aufschwatzen, liebe Béatrice!
Mich interessiert es nicht die Bohne, ob Frauen oder Männer besser kochen können. Hauptsache, einer von beiden kann es. Und selbst wenn die besagten Frauen keiner bezahlten Arbeit nachgehen sondern "nur"!!! Mutter und Hausfrau sind, ist der bezahlte Job als Gärtner oder Banker kein bisschen anstrengender, als was die Frau zu Hause leistet. Solange wir mit solchen verstaubten Rollenbildern schwanger gehen, wird es nie eine Augenhöhe zwischen Frau und Mann geben. Vom sexistischen Ansatz, dass die Frau den Mann abends auch noch sexuell beglücken soll, mal ganz abgesehen.
SIE sind die Generation, die für diese Augenhöhe gekämpft hat, damit wir Frauen heute nicht nach der Schwangerschaft hinter dem Herd verschwinden. Darum entsetzt es mich umso mehr, dass Sie die Frauen jetzt wieder dorthin verfrachten möchten. Ich finde es keine Zumutung, wenn Ihre beiden Büeblis auch mal das Schürzli umbinden und den Kochlöffel schwingen.
Und genau dort vermute ich das Problem, liebe Béatrice. Sie sind noch immer die Mutter von zwei kleinen Büeblis, die umsorgt werden müssen. Sie sollten die beiden endlich ins Erwachsenenleben entlassen und darauf vertrauen, dass sie dort nicht verhungern, selbst wenn ihnen kein Frauchen das Abendessen im kleinen Schwarzen serviert.
Ich bin auch Mutter eines Buben. Und ich weiss nur zu gut um die Gefahr, die in uns Bubenmüttern lauert. Wir wollen sie umsorgen und beschützen, und weil es Jungs sind, wecken diese den Drang in uns noch mehr, als es Mädchen jemals könnten. Wir sind von der Natur darauf programmiert, Männern den Rücken frei zu halten. Das ist schon Hypothek genug! Und wir benötigen viel Kraft, dieses veraltete Muster hinter uns zu lassen. Wir dürfen in unseren Buben nicht auch noch die Selbstverständlichkeit verankern, dass sie das totale Anrecht auf eine lebenslange Bemutterung durch Frauen in ihrem Umfeld haben.
Denn selbst wenn Woody Allen mal gesagt hat, dass er nichts dagegen hat, wenn die Frau am Herd steht - solange der Herd im Schlafzimmer steht, ist es an uns Frauen, nicht auch noch ins gleiche Horn zu blasen. Schenken Sie Ihren Söhnen einen Kochkurs. Und lassen Sie Ihre Schwiegertöchter gefälligst in Ruhe. Und die anderen Frauen in meinem Alter bitte auch. Denn jede Generation hat ihr Päckchen zu tragen. Da brauchen wir nicht das von Ihrer auch noch. Danke.
Ich hoffe sehr, Sie verzeihen mir die deutlichen Worte, liebe Béatrice. Sie sind ein sehr geschätztes Facebook-Gschpändli von mir und ich möchte Sie auch weiterhin als solches behalten. Dennoch musste ich meine sehr klaren Gedanken zu diesem Thema in ebenso klare Worte fassen. Ich hoffe, Sie können das nehmen.
Wir Frauen jeglicher Generationen müssen zusammenhalten, anstatt uns gegenseitig Vorwürfe zu machen! Darum schlage ich Ihnen vor, dass wir beide uns mal ins kleine Schwarze stürzen und zusammen einen Prosecco trinken gehen. Die Einladung gilt!
Mit herzlichem Gruss! Ihre Kafi.
P.S. Ich denke über jede Generation nur Gutes. Weil ich es anmassend fände, darüber zu urteilen, wie das Leben in einer anderen Zeit, als exakt der meinen, zu verlaufen hat.