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Liebe Kafi. Mir fällt immer wieder auf, wie sehr manche Männer ihre ... nun ja, Potenz präsentieren müssen. Gerade wieder sass ein mittelalter Mann vis-à-vis von mir im Zug, der die Beine übertrieben breit machte. Ich empfand das als sehr unangenehm und würde diese Situation schon als Belästigung bezeichnen, da ich es absolut unverhältnismässig fand. Wie sehen Sie das? Dürfen Männer das? Wie können wir Frauen uns dagegen wehren? Oder empfinden Sie das gar nicht als "(un)bewusste Aufforderung", sondern eher als bequeme Haltung? Vielen herzlichen Dank, auch für alle Ihre anderen tollen Beiträge! Romina, 18

Liebe Romina

Die dürfen Fragen mag ich ja ganz besonders, muss ich Ihnen sagen. "Dürfen Männer das?" Herrlich!

Ja, ich fürchte, Männer dürfen das. Zumal ich noch nie ein Verbot gesehen habe, das diese - und da stimme ich Ihnen vollkommen zu - tatsächlich manchmal nötigende Körperhaltung verbietet. Es gibt zwar hie und da Vorstösse, gegen das männliche Breitmachen der Beine vorzugehen, so zum Beispiel in der Türkei oder auch in New York, aber wie gesagt, wirkliche Verbote gibt es nicht.

Ob es ein Präsentieren der Potenz und dazugehörigen Gehänges ist, kann ich nicht beurteilen. Aber es ist mit Sicherheit ein anderes Gefühl fürs Raum einnehmen, als was wir Frauen es kennen. Das ist ein enorm spannendes Thema, was man bereits bei kleinen Kindern beobachten kann. Das Gebaren und die Gestik von Jungs ist eine völlig andere, als die von Mädchen. Das ist unter anderem auch Gegenstand in einem unserer Seminare, in dem es darum geht, wie wir Frauen unseren Raum stärken wahr- und einnehmen.

Männer haben da ein Selbstverständnis, von dem wir Frauen so einiges lernen können. Und nein, damit meine ich jetzt nicht das arrogante bis anzügliche breitbeinige Sitzen über 2 Sitzplätze, sondern eher das sich nicht kleiner machen, als man wirklich ist.

Beobachten Sie doch mal, wie Frauen sich im öffentlichen Raum bewegen, wie sie sitzen und im Tram stehen. Da wird geduckt und es werden Beine überkreuzt und überschlagen. Grosse Frauen gehen mit eingezogenem Kopf, Frauen mit grossem Busen ziehen die Schultern oft nach vorne, damit dieser kleiner wirkt. Im Gegensatz dazu sitzen und gehen Männer, als hätten sie weiss nicht was zwischen den Beinen.

Ich kann gut verstehen, dass dies auf Sie als sexuelle Provokation wirkt. Und ich bin überzeugt, dass es ganz oft auch mit dieser Intention passiert. Männer haben leider noch immer nicht kapiert, dass wir Frauen nicht auf die Zurschaustellung männlicher Geschlechtsteile abfahren, wie Sie auf die Präsentation weiblicher. Sie können sich entweder einen Spruch in dieser Richtung bereitlegen, oder einfach demonstrativ den Platz wechseln beim nächsten Mal. Grenzüberschreitungen, selbst nonverbaler Art, muss man ernst nehmen und klar und deutlich darauf reagieren. Oft reicht es schon, wenn man mit einem Blick auf die betreffende Zone laut und ausgiebig gähnt.

Bei allen anderen Exemplaren ist es einfach ein Habitus des Raumeinnehmens, von welchem wir uns eine Scheibe abschneiden sollten. Sich sein und für sich hinstehen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob man jemandem anderen den Platz wegnimmt. Uns Frauen geht diese Gabe leider oft ab und wir müssen diese Selbstverständlichkeit mühsam lernen. Und dabei ist es eine Tatsache, dass wir mit beiden Füssen auf dem Boden mehr Kraft und Autorität ausstrahlen, als mit damenhaft verknoteten Beinen und zur Seite gelegtem Kopf und Oberkörper.

Kurzum: Sich ärgern oder davon lernen. Up to you. Ganz herzlich! Ihre Kafi.

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