Liebe Kafi, Neulich bekam ich nach der zweiten Vorstellungsrunde, eine telefonisch Absage, welche inhaltlich für mich nachvollziehbar war. Eine Anmerkung am Schluss irritierte mich jedoch, als Vater von zwei Kleinkindern, heftig. "Wir meinen, dass Ihre Familie jetzt im Mittelpunkt Ihres Leben stehen sollte". Weder war die Familie, noch irgendwelche Anfragen zu Absenzen (ich hatte in den letzten Jahren 0 Absenzen) ein Thema, noch gab es irgendeine Relevanz auf das Stellenprofil. Darf man das? Stefan, 36
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Lieber Stefan
Danke für Ihre spannende Frage. Sie passt gerade extrem gut in die Diskussionen der letzten Tage, wie ich finde. Man könnte Sie eigentlich als #SchweizerAufschrei durchgehen lassen, nicht?
Ob man das darf, oder nicht, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich könnte das recherchieren, aber das ist nicht mein Job. Es gibt genügend Fragen/Antworten Formate, die sich um die Abklärung von rechtlichen Dingen kümmern. Einer davon im Beobachter. Mich interessiert die rechtliche Seite daran auch nicht wirklich, muss ich Ihnen sagen. Sondern viel mehr, dass Sie da was erlebt haben, was praktisch jede berufstätige Frau erlebt, die zu Hause Kinder hat. Sie finden das heftig irritierend? Ist es auch! Es ist sogar vollkommen jenseits. Und dennoch an der Tagesordnung, reden Sie mal mit ein paar berufstätigen Müttern in Ihrem Umfeld.
Ob es das besser macht? Sicher nöd! Aber es zeigt wenigstens eine Realität auf, die uns Frauen mehr als geläufig ist. Man könnte den Betrieb drum fast schon fortschrittlich nennen, da er diese unsägliche Fragen nicht nur Frauen, sondern auch Männern mit Kinder stellt.
Sie regen sich darüber auf? Warum denn eigentlich? Ist diese Frage bei Ihrer Frau legitimer als bei Ihnen? Und warum ist eigentlich so klar, dass sich in der Regel die Mütter um die kranken Kinder kümmern und viel viel seltener die Väter. Ich kenne Paare, die eine ach so moderne Aufgabenteilung leben und gegen aussen propagieren. Beide arbeiten im gleichen Rahmen Teilzeit, der Papi wäscht, und kocht auch. Aber kaum ist das Kindli krank, ist es dann doch die Mutter, die mit ihm zum Arzt fährt und danach eine Woche zu Hause neben dem fiebrigen Gesichtliwacht. Ein Klischee sagen Sie? Stimmt nicht bei allen? Ja richtig! Nie ist öppis 100 %, gopf. Aber es ist meistens so, das hat mir auch mal eine Kinderärztin erzählt, die mir sagte, dass ihr bei den ersten Entwicklungsuntersuchungen oft noch beide Elternteile gegenübersitzen. Später dann aber bei einer Grippe oder sonst was, zu 90 die Mütter. Ist doch spannend, oder öppe nicht?
Sie können sich jetzt schon zünftig ärgern, dass man Sie das gefragt hat. Ich wünschte mir, dass sich auch mehr Frauen darüber ärgern würden. Aber mit der geballten Faust im Sack ist es nicht getan. Sie wollen wissen, ob man das darf? Fragen Sie nicht Frau Freitag! Fragen Sie die HRIdiotInnen, mit denen Sie zu tun hatten. Fragen Sie nach, was diese Bemerkung eigentlich soll! Und betonen Sie, dass Sie diese Fragestellung bei Frau und Mann vollkommen daneben finden. Schauen Sie mal, was Sie als Antwort erhalten. Sie haben den Job nicht bekommen, Sie haben also nichts mehr zu verlieren. Ob man sich gegen etwas wehrt und aufsteht, hat doch nicht unbedingt nur damit zu tun, ob etwas rechtens ist, oder nicht. Es geht um Ihre Wahrnehmung und was diese Ihnen sagt. Nehmen Sie diese Stimme ernst, sie hat es verdient!
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi