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Liebe Kafi. Sag mal, wie siehst du das: Jetzt, wo der Euro so tief ist, rasen alle nach Deutschland zum Einkaufen. Darf man das als guter Schweizer oder ist das ein No-Go? Meine Freunde und ich sind uns da nicht so einig … Danke für deine Antwort! Fabian, 42

Lieber Fabian

Das ist eine großartige Frage! Und so kurz! I like, like, like! Danke! (Das nur als kleiner Seitenhieb an all die Fragesteller, die mir halbe Drehbücher für Familiendramen schicken und sich wundern, warum ihre Frage nie beantwortet wird. In der Kürze liegt die Würze!) Doch bei aller Großartigkeit kann ich sie nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Es kommt nämlich darauf an, wer hinter der gestellten Frage steckt. Sind Sie einer der vielen, die 1992 an der Urne Nein zum EWR gesagt haben und noch immer Nein sagen würden, wenn es darum ginge, endlich und mit Haut und Haar der Europäischen Union beizutreten, dann antworte ich mit: NEIN, das dürfen Sie als guter Schweizer sicher nicht. Bleiben Sie gefälligst in Ihrem kleinen Gärtli und sehen Sie zu, dass es der Schweizer Wirtschaft gut geht! Wenn Sie aber (wie ich) zu den europäisch denkenden Menschen gehören, die kapiert haben, dass es uns so saumäßig gut geht, weil wir a) zwar keinen Krieg hatten, uns aber mit offenen Händen daran bereicherten und b), weil wir das Schwarzgeld der halben Welt horten und uns wiederum mit offenen Händen an anderen Staaten bereichern, dann dürfen Sie einkaufen, wo immer Sie wollen. Allerdings gibt es auch für den Einkauf über der Grenze ein paar klare Spielregeln:

  1. Machen Sie sich mit der fremdländischen Währung vertraut. Es gibt nichts Anstrengenderes, als Schweizer vor sich zu haben, die eine halbe Stunde zum Bezahlen brauchen, nur weil sie einen Fünfeuroschein nicht von einem Hunderter unterscheiden können.
  2. Geben Sie anständig Trinkgeld. Es gibt nichts Peinlicheres, als Schweizer in der Kneipe neben sich zu haben, die in jedem zweiten Satz betonen, wie unglaublich billig hier die Fleischplatteist, aber dann ohne einen Cent Trinkgeld wieder abrauschen. (Und überhaupt: Halten Sie diesbezüglich auf deutschem Boden die Klappe. Die Deutschen wissen um ihre schwächere Kaufkraft, auch ohne Ihre ständige Erinnerung.)
  3. Warten Sie mit dem Einlösen der grünen Mehrwertsteuer-Zettel bitte so lange, bis Sie wieder eine volle Einkaufsliste haben. Für unsere deutschen Nachbarn ist es nämlich eine Zumutung, an einem Samstag hinter einer Schlange von Schweizern an der Kasse zu stehen, die nichts kaufen, sondern nur ihre Kohle abholen wollen.

Ob Sie jetzt schlussendlich dürfen oder nicht, müssen Sie selbst beurteilen. Ich weiß nur so viel: ICH DARF!

Mit herzlichem Gruß. Ihre Kafi.

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