Liebe Kafi, Seit jeher habe ich Mühe mit Rauchern. Als Lungengeschädigter, genetisch bedingt, waren meine Lungen bis vor kurzem in einem Zustand, der einem Langzeitraucher entsprechen muss. Da sich Raucher aber vorwiegend selbst schädigen, kann ich damit umgehen. Was meinen Blutdruck aber in gefährliche Regionen treibt, sind rauchende Mütter. Kafi, bitte hilf mir: Wie geht man mit Menschen um, die ihren eigenen Babies und Kindern Zigarettenrauch ins Gesicht blasen? Darf, oder gar muss man sich einmischen? Oder den Frust in sich fressen und Schnauze/Abstand halten? Vielen Dank für deine Hilfe! Markus, 34
Lieber Markus
Auch ich bin ein Raucherkind. In meiner Schwangerschaft wurde geraucht, und als ich geboren war, bin ich im Auto mit einer stark rauchenden Mutter mitgefahren und immer von Zigarettenrauch umgeben gewesen. Auch ich finde das sehr fragwürdig und dennoch weiss ich, dass mir grössere Schäden von anderem Verhalten Mütterlicherseits mitgegeben wurden, als vom Rauchen. Aber damit will ich die Auswirkungen vom Rauchen in der Schwangerschaft oder auch vom Passivrauchen keinesfalls kleinreden.
Heute kann ich mit Stolz sagen, dass ich noch nie eine Zigarette geraucht habe. Ich habe noch nicht einmal eine angefasst. Und das ist auch fast unglaublich, kenne ich doch persönlich niemanden, der das von sich sagen kann. Meine Mutter war immer sehr bestrebt, dass wir Töchter oder unsere Freunde rauchen. Sie fand so ein kleines Zigarettli immer besonders gemütlich und hat es als hübsche Gemeinsamkeit angesehen, wenn man zusammen ein räukelte. Mich hat das angewidert. Von Anfang an. Vielleicht bin ich darum eine überzeugte Nichtraucherin und bin auch dem Alkohol in der Schwangerschaft sehr kritisch gegenübergestanden. Praktisch alle Schwangeren in meinem Umfeld haben gesoffen. Die einigen mehr, die anderen etwas weniger. Mit der Entschuldigung abstrusester Begründungen: "Der Arzt meint, so ein Gläsli Wein am Abend kann doch keinem Kind schaden", oder aber "die alkoholischen Moleküle sind sehr gross, die gelangen nicht durch die Milchbahn", so eine schwangere Chemikerin.
Und hier liegt ein spannender Punkt, lieber Markus. Wenn es Ihnen einzig und allein ums Wohlergehen der kleinen Weltenbürgerli ginge, dann müssten auch saufende Mütter Ihren Blutdruck in Wallung bringen.Darüber sagen Sie aber kein Wort und darum gehe ich davon aus, dass sich Ihr Interesse tatsächlich nur auf die rauchenden Mütter bezieht. Und das ist ein klares Zeichen dafür, dass das Rauchen an sich, respektive die daraus resultierende Lungenkrankheit, voll und ganz Ihr Thema ist. Sie sagen das ja auch ganz klar und dennoch bin ich mir nicht sicher, ob Ihnen klar ist, wie weitreichend das ist. SIE sind lungenkrank und darum extrem sensibilisiert. Wenn Sie nun eine rauchende Mutter ansprechen oder sogar impulsiv angehen, dann ist das in erster Linie Ausdruck Ihrer eigenen Betroffenheit.Es geht hier weniger um das Kind an sich, denn sonst müssten Sie sich ja eben auch auf saufende Mütter stürzen.
Rauchende Mütter scheinen Sie an einem Punkt zu treffen, der über die "normale" Sorge gegenüber noch nicht oder kürzlich geborenen Babys weit hinausgeht. Es scheint Ihr wunder Punkt zu sein. Jede rauchende Mutter ist ein Angriff auf Ihre Identität. Ansonsten würden Sie nicht kochen, beim Anblick einer Mutter mit Zigarette in der Hand. Sie würden den Kopf schütteln, sie meinetwegen im Stillen eine verantwortungslose Kuh nennen und dann weiter Ihres Weges gehen.
Darum würde ich Ihnen zu Folgendem raten: Weder einmischen, noch runterschlucken und Frust in sich fressen. Es ist IHR Thema, lieber Markus.SIE müssen lernen, damit umzugehen. Natürlich können Sie diese Mütter in ein aufklärendes Gespräch verwickeln. Aber Sie werden kaum eingrosses Aha-Erlebnis bei diesen auslösen. Jede Schwangere weiss, dass rauchen dem Kind schadet. So wie es jeder Erwachsene weiss, dass es ihm schadet. Ihre hohe emotionale Beteiligung an diesem Thema ist keine gute Ausgangslage für eine Intervention. An Ihrer Stelle würde ich über meine eigenen Bücher gehen. Hinschauen, wo meine eigenen Verletzungen diesbezüglich sind. Und diese aufarbeiten.
In der Hoffnung, dass Sie nicht früher oder später ob dem Anblick einer rauchenden Mutter noch einem Herzinfarkt erliegen. Wäre ja dann nämlich auch ganz schön doof, nicht?
Herzlich, Ihre Kafi Freitag