Liebe Kafi. Sie möchten Ihre Fragesteller erziehen, weil sie Ihnen zu lange Fragen zukommen lassen. Das kann ich gut verstehen. Ihr Anliegen hat mich aber noch auf einen ganz anderen Gedanken zum Thema Erwachsenenerziehung gebracht: Wie, denken Sie, kommt es, dass es absolut salonfähig ist, wenn Frauen Ihre Männer erziehen (Kleider verordnen, öffentlich kritisieren, peinliche Geschichten von ihnen erzählen und auch sonst dominieren), umgekehrt das aber als höchst pfui gilt? Ich wäre alarmiert, wenn eine Freundin ständig anziehen müsste, was ihr Mann ihr herauslegt. Liebe Grüsse! (Kurz genug?) :) Sarina, 34
Liebe Sarina
Was habe ich gelacht, als ich Ihre Frage las!
Zum einen ob dem Bild der Freundin, die jeden Morgen ein fein säuberlich sortierter Stapel Kleider vorfindet, der sie dann in der vorgegeben Reihenfolge anzieht (zuoberst das Unterhösli und BH, zuunterst die Oberbekleidung). Aber zum anderen auch, weil ich mich so sehr erwischt und erkannt gefühlt habe. Sie haben recht wenn Sie schreiben, dass Frauen ihre Männer erziehen. Sie tun es nicht nur, sie prahlen sogar damit! Ich habe es gerade gestern erlebt, als ich mit meinem Sohn auf dem Brienzer Rothorn war. Um uns herum waren ausschliesslich pensionierte Menschen, die in kleinen Reisegrüppli unterwegs waren. Und da ich Ihre Frage noch vor dem Wochenende erhalten habe, war der Ausflug eine prima Feldstudie für mich. Folgendes konnte ich beobachten:
Frauen sagen ihren Männern, wo sie zu sitzen haben. Frauen sagen ihren Männern, was sie zu essen haben. Frauen entscheiden, wann ihre Männer genug Bier getrunken haben und ob noch ein Schnaps bestellt werden darf. Frauen reden mit anderen Frauen über ihre Männer, als wären diese nicht anwesend und als könnten diese nicht selber sprechen. Frauen cremen ihren Männern die Nase und die Glatze ein. Frauen binden ihren Männern aus Servietten Lätzchen und tadeln sie, wenn das Hemd trotzdem vollgekleckert ist. Frauen stellen ihre Männer vor einer Gruppe bloss, indem sie peinliche Anekdoten erzählen.
Kurzum: Frauen behandeln ihre Männer wie kleine Kinder, denen man noch den Rotz von der Nase putzen muss (und auch das musste ich mit ansehen, hoch oben auf dem Rothorn!) Und die Männer lassen es geschehen.
Einige Leserinnen werden mir nun ankreiden, dass sich meine Studie auf Menschen begrenzt, die tapfer ihrem Herbst entgegen wandern. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Ich weiss von Frauen meiner Generation (u40), die ihren Freundinnen bis ins haarkleinste Detail das Versagen ihrer Männer im Bett erzählen und diese so schlecht wegkommen lassen, dass man sich fragt, wo der Sinn des Zusammenbleibens genau liegt. Das Herabkanzeln und schlecht Hinstellen des eigenen Mannes scheint eine weit verbreitete Unart zu sein, die auch in mir die Gallenproduktion anregt.
Und doch habe auch ich habe meine Männer "erzogen" und wo es sein musste, fehlende Umgangsformen eingeprügelt. Männern, die mich, anstatt mich vorzustellen, an ihrer Seite stehen liessen wie bestellt und nicht abgeholt, bin ich kurzerhand davongelaufen. Und ich habe einigen Aufwand betrieben, um einem Mann klarzumachen, dass die Reihenfolge der Formulierung "ich und meine Schwester" einfach nicht geht. Natürlich hätte ich es sein lassen können und mich stattdessen jahrelang darüber ärgern, dass deren Mütter sich nicht darum gekümmert hatten. Aber Aufgeben war für mich noch nie eine Option und so musste ich um gewisse Anstandsregeln kämpfen.
Männer sind vielfach verzogene Müttersöhnchen, bei denen man in der Kindheit Nachsicht gelten liess. Während man den Töchtern Tischmanieren einbläute, durften die Jungs sich die Penne in die Nase stecken und ich habe den Verdacht, dass manch einer es noch heute gerne tun würde. Auch mein Sohn wird mit seinem Benehmen zu Tisch noch so manche Frau zum Wahnsinn treiben und ich entschuldige mich schon heute dafür, dass ich nicht konsequenter war. Aber wenigstens weiss er, dass es "meine Schwester und ich" heisst und er wird seine zukünftige Begleiterin / seinen zukünftigen Begleiter, nie im Offside stehen lassen. Immerhin.
Und ja, Ihre Frage war in der Länge genau richtig, vielen Dank dafür!
Ganz herzlich, Ihre Kafi.