Liebe Kafi. Wir eiern (wortwörtlich) seit geraumer Zeit am Thema rum, was wir nun sollen. Mein Mann hat zwei Jungs aus erster Ehe, wir zusammen zwei Jungs 6 und 4.. Aus unerklärlichem Grund habe ich den Wunsch, ein weiteres Kind zu haben. Das obwohl ich meine Kompetenzen als Mutter als beschränkt ansehe (ich bin sehr streng mit mir) und mir das Familienleben so gut gefällt. Das Hirn fährt 600 Gründe auf warum nicht und der Rest sagt JA! Könntest du mir eine Hilfe bieten mit einer Art, sich zu entscheiden? Ich kenne das nicht von mir. Ich war immer klar, habe immer sofort die Konsequenzen aus meinen Entscheidungen getroffen und jetzt hinke ich immer im Kreis herum, was mich ehrlich gesagt, ziemlich nervt. Mein Mann ist wie ich, ambivalent und ist darum in keiner Variante limitierend. Katja, 35
Liebe Katja
Es gibt viele Strategien, mit denen man eine Entscheidung leichter treffen kann. Sie kennen sicher die Pro/Kontra Liste, bei der man Vorteile und Nachteile sammelt und dann Bilanz zieht. Aber ein Kinderwunsch gehorcht keiner mathematischen Logik (sonst wären wir vermutlich längst ausgestorben) und Sie können Ihre vielen Gründe, die dagegen sprechen, noch lange herumjonglieren, es wird Sie vermutlich nicht weiter bringen.
Während Sie auf lächerliche 600 Argumente kommen, die gegen ein Kind sprechen, könnte ich Ihnen noch etwa 10'000 weitere aufzählen. Kinder kosten eine Unmenge Nerven, Zeit, Geduld und Geld (aber vermutlich sind all diese Punkte ja auch bereits auf Ihrer Liste). Und dennoch sind sie das Beste, was man sich aufhalsen kann. Kinder erweitern uns Erwachsenen den Horizont, wie es keine Droge vermag und sie geben dem Dasein unendlich viel Sinn. Es gibt keine verantwortungsvollere Aufgabe, als ein Kind in die Selbständigkeit zu begleiten und ihm Werte fürs Leben mitzugeben. Und verdammt lustig sind sie auch. Aber das wissen Sie alles bereits, schliesslich ziehen Sie ja bereits 4 Kinder gross und Sie würden sich ja nicht mit dem Gedanken herumschlagen, wenn Sie Kinder nicht auch toll fänden.
Darum gebe ich Ihnen zwei Dinge mit auf den Weg. Eine Entscheidungshilfe, die so gar keiner Rationalität folgt und dennoch, oder gerade darum, vielleicht nützlich sein könnte für Ihre Frage. Und einen Gedanken, der mir zusätzlich gekommen ist, als ich Ihre Email las.
Aber zuerst zur Technik: Setzen Sie sich einmal in Ruhe hin und legen Sie Ihre beiden Hände je auf ein Knie mit der Handfläche nach oben. Formen Sie mit beiden Händen eine Art Schale und bestimmen Sie, welche Schale das Dafür und welche das Dawider verkörpert. Dann "füllen" Sie die Schalen mit den Argumenten. Die eine mit all den Gründen, die für ein Kind sprechen. Die andere mit den 600 Gründen dagegen. Das ist ein gedanklicher Akt und vielleicht fällt es Ihnen leichter, wenn Sie die Motive laut in die jeweilige Hand sprechen. Wenn Sie mit beiden Seiten fertig sind, dann heben Sie beide Hände und achten darauf, welche Ihnen schwerer erscheint. Es ist erstaunlich, wie offensichtlich der Unterschied sein kann, obwohl ja eigentlich beide Hände "leer" sind.
Es kann gut sein, dass diese Übung so klar für ein Kind spricht, dass Sie danach fähig sind, die Entscheidung zu fällen. Aber falls nicht, oder falls die "Dagegen-Hand" schwerer scheinen sollte, so überlegen Sie sich bitte trotzdem noch folgendes:
Sie sind heute 35 Jahre alt. Ihre Fähigkeit, schwanger zu werden, sinkt mit jedem weiteren Jahr beträchtlich. Vielleicht wiegen die 600 Gründe, die gegen ein Kind sprechen, schwer. Noch schwerer wird aber wiegen, wenn Sie diesen diffusen und irrationalen Kinderwunsch in ein paar Jahren noch in sich tragen, aber nicht mehr schwanger werden können. Ich kenne viele Frauen, die es bereuen, kein Kind gezeugt zu haben, als sie es noch konnten. Aber keine einzige, die es nachhaltig bereut, Mutter geworden zu sein.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen damit etwas auf die Sprünge helfen konnte, liebe Katja. Und falls Sie und Ihr Mann sich wirklich für das Kind entscheiden sollten, und dieses irgendwann im Café neben mir nervt, dann geben Sie sich zu erkennen, indem Sie mir deutlich sagen, dass ich eigentlich die Schuld an allem trage!
Mit ganz herzlichem Gruss! Ihre Kafi.