Vielen lieben Dank. Liebe Kafi, Liebe Frau Freitag. Ich danke Dir. Ich habe Dein Blog heute das erste Mal gelesen und meine Augen waren wundervoll amüsiert. Ich bin Mami von 4-Jährigen Zwillingen, gebrauche mit viel leidenschaft Fluchwörter, ertappe mich ab und zu rauchend auf einem Spielplatz und lese keine vermeindliche Fachliteratur über Kindererziehung. Drohe meine Kindern in der Öffentlichkeit mit dem Internat etc. Und wie kann es anderst sein, ist mein Ansehen deswegen des öfteren ramponiert. Ich kann unmöglich eine liebende Muttern sein;-) Ich weiss, ich bin nicht die einzige absolut unperfekte Mutter im Raum Zürich aber es ist schön es von einer anderen Frau auch zu lesen. Vielen lieben Dank. Wie erging es Dir Anfangs obligatorischer Kindsgi/Schulzeit? Auf wieviel Hass muss ich mich gefasst machen? Lena, 34
Liebe Lena
Wie meinen Sie das jetzt, wenn Sie schrieben, dass Sie nicht die einzige unperfekte Mutter im Raum Zürich sind? Mir ist ja tatsächlich kurz der Verdacht gekommen, dass Sie damit mich meinen könnten, aber ich habe mir dann gesagt: Kann unmöglich sein! Wenn jemand perfekt ist, dann ja wohl ich! ICH habe meinem Sohn, als er 4 Jahre alt war, nie mit dem Internat gedroht, (weil es in ganz Europa keines gibt, dass Kleinkinder in diesem Alter aufnimmt). Stattdessen habe ich einen Kellerraum gemietet und ihn und seine Gschpändli Fussbälle für die WM nähen lassen. Er hat davon immens profitieren können. Noch heute spricht er ab und an mit glänzenden Augen davon, wie er einmal Kind des Monats geworden ist und dafür eine längere Znünipause machen durfte.
Nein ernsthaft. Ich habe mich sehr über Ihre Zuschrift gefreut! Danke dafür. Es ist in der Tat traurig, dass man sich als Mutter dermassen rechtfertigen und am Sandkastenrand profilieren muss. Vermutlich haben Sie meinen Blogeintrag über lügende Schlampenfreundinnen schon gelesen, sonst lege ich Ihnen den auch noch ans Herz.
Als mein Sohn in den Kindergarten eingeschult wurde, habe ich mich zuallererst einmal total entmündigt gefühlt. (Obligatorien haben immer diesen Effekt auf mich). Im Gegensatz zu vielen Eltern in meinem Umfeld, die ihre Sprösslinge am liebsten noch vor der Durchtrennung der Nabelschnur in das elende Fördersystem der obligatorischen Volksschule eingeliefert hätten (Das Frühchen so früh als möglich frühfördern, damit es ja nichts verpasst!) , habe ich mit der Einschulung ein Jahr länger gewartet. Dennoch traf es mich um einiges härter als meinen Sohn. Zuvor ist man ja ein freier Mensch mit Kind. Danach ist man ein unfreier Mensch, der sein Kind nebst den obligatorischen Schulzeiten sehen darf. Aber wie es zu erwarten war, gewöhnte selbst ich mich daran.
Danach kam der erste Schultag und ich bin mir nun wirklich etwas unsicher, ob ich Ihnen davon überhaupt erzählen sollte. Denn es war in der Tat himmeltraurig. Ich begleitete meinen Sohn in die Schule und blieb planmässig bis zur Mittagszeit. Während dieser wenigen Stunden durchlief ich alle vorstellbaren Phasen der Desillusionierung. Es war nicht genug, dass das Schultpult meines Sohnes und das von drei weiteren Kindern mit Blick zur Wand und dem Rücken zur zum Rest der Klasse gestellt war ("es ist praktischer so, sonst wird es hier sehr eng zum durchgehen") , es wurden auch noch Spiele gespielt, bei denen man sich vor der ganzen Klasse blamieren konnte. Jedes Kind erhielt eine Nummer (bei uns werden Kinder eben noch durchnummeriert) und musste das Klassenzimmer nach einem Zettel mit seiner Nummer absuchen. Am Schluss irrten noch immer fünf der Kinder durch den Raum, einige mit Tränen in den Augen. Die Eltern suchten verzweifelt mit und die Stimmung war insgesamt grauenhaft. Die Kinder wurden sich nicht mit Namen vorgestellt, es wurden Zählspiele gespielt. Kinder, die das Zählen im Kindergarten nicht gelernt hatten (selber schuld, wenn man nicht frühfördert!) blamierten sich. Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, ebenso. Ich war kurz vor dem Durchdrehen und bin es noch immer, wenn ich solche Geschichten höre!
Ich verliess den ersten Schultag weinend. Später sah ich auf Facebook Fotos von anderen Eltern, die ihre Kinder gerade eingeschult hatten. Ich sah bunte Luftballons und Kinder mit einem farbig bemalten Plakat von sich selbst in der Hand. Ich sah fröhliche Papierblumen und strahlende Kindergesichter und merkte: Es geht auch anders! Da weinte ich grad noch ein paar Stunden weiter.
Es macht mich so unendlich wütend, dass man nicht mehr Augenmerk auf einen solch wichtigen Meilensteine eines jungen Menschen legt! Es muss doch möglich sein, dass man einen ersten Schultag, oder eine ganze erste Schulwoche so gestaltet, dass kein Kind versagen kann! Je nachdem folgen auf diesen Tag noch weitere 9 bis 12 Jahre Schule und ich erachte es als sehr wichtig, mit welcher Stimmung und Erfahrung man die ersten Schritte dieses langen Weges geht. Oder wie mir eine 80jährige Frau einmal gesagt hat "ich kann mich noch an jedes Detail meines ersten Schultages erinnern! Meine erste Lehrerin war so eine liebe Frau, ich hatte sie furchtbar gern. Danach kamen ein paar schwierige Jahre in der Schule, aber dieser gute Start hat mich danach immer wieder bestärkt. Darum bin ich immer gerne zur Schule gegangen."
Ich wäre dafür, dass man den Lehrplan für diese eine Woche vergisst und sich mit offenem Herzen darauf konzentriert, die Kinder in diesem wichtigen Abschnitt ihres Lebens willkommen zu heissen. Das kann doch gottverdammihueresiech nicht so schwierig sein! Und wenn doch, bin ich gerne bereit, ein Programm für die Volksschule zu erarbeiten!
Mit bestem Gruss! Ihre Kafi.