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Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Mir ist schon klar, dass sich das Bibelzitat auf Ehebrecherinnen bezieht, aber heute ist man vom Steinigen gottlob etwas abgekommen, sind doch die Preise für Pflastersteine dermassen in die Höhe geschnellt, dass selbst der engagierte 1. Mai Demonstrant auf das Werfen solcher verzichtet. Zudem bin ich grundsätzlich gegen Strafen, die sich explizit nur gegen ein Geschlecht richten, im Zeitalter von Gleichberechtigung kommt mir das etwas vorgestrig vor.

Heute aber konzentriere ich mich auf das Zitat in globalerer Form. Auch hinsichtlich der Abstimmung von übermorgen, die sich der Vergehen von Nicht-Schweizern in der Schweiz widmet. Mich als Kind eines Einwanderers ohne Schweizer Pass umtreibt das Thema sehr, stellt es doch die Werte unseres Landes infrage, bringt unsere Verfassung ins Wanken, auf deren Stabilität wir doch so viel geben!

Wenn ich die letzten Wochen die Kommentare in sozialen Netzwerken so lese, dann habe ich manchmal das Gefühl, dass sich die Menschen einbilden, Schweizer zu sein, sei eine grosse persönliche Leistung. Etwas, dass man sich verdient, weil man besonders rechtschaffend, integer und anständig ist. Die Leute vergessen darob, dass sie aus reinem Zufall auf diesem kleinen Fleckchen Erde geboren wurden, dass es ebenso ein ganz anderes Land mit ganz anderem politischem Hintergrund hätte sein können. Wir führen uns auf, als hätten wir ein Vorrecht gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen, ach überhaupt aus dem Ausland!

Natürlich fahren wir gerne ab und an über die nahe Grenze und kaufen dort Wurst und Schuhe ein, wenn es aber darum geht, unseren Mitmenschen die gleichen Rechte einzuräumen wie uns selber, dann sind wir nicht mehr ganz so liberal. Natürlich nehmen wir das Schwarzgeld unserer Nachbarn gerne in unsere Obhut und helfen dabei, wenn es darum geht, Gelder von Diktatoren zu horten, aber wenn ein in der Schweiz geborener Mensch einen Griff in die Portokasse tut, dann hat er bei uns nichts mehr verloren! Raus mit ihm!

Unser Verständnis von Egalität kommt nur dort zum Tragen, wo es zu unserem Vorteil ist. Unsere angebliche Gleichheit vor Gott kann so lange bestehen, wie wir keinen Verlust erleiden, nicht teilen müssen und keinen Nachteil daraus erleben. Die Nächstenliebe verkommt zu einem Schwur, den man gern bei sonnigem Wetter ablegt und der die restlichen Tage im Kellerabteil lagert.

Wie können wir unseren christlichen Werten gerecht werden und gleichzeitig fehlbare Mitmenschen ausschaffen lassen? Wer am Sonntag ein JA ein die Urne legt, sagt damit NEIN zu den Werten der Schweizer Demokratie UND des Christentums!

 

 

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