Wie viel Unterstützung und Interesse darf man von der eigenen Familie und den Freunden erwarten? Hallo Frau Freitag, bereits seit einigen Monaten, habe ich eine tolle Beziehung mit einer wunderbaren Frau! Und vor einigen Wochen habe ich mich vor Freunden und dann auch vorm engsten Familienkreis geoutet... Die Reaktionen darauf waren wie erwartet relativ gelassen... Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet... Jedoch bin ich sehr zurückhaltend, wenn es darum geht über meine Freundin, mit der ich momentan eine Fernbeziehung führe, oder unsere Beziehung, mit meinen Freunden und meiner Familie zu sprechen, da ich oft das Gefühl habe, dass auch wenn diese Beziehung offiziell "akzeptiert" wird, sie zum Teil nicht gut geheißen wird... Ich bin nicht sicher ob ich mir das einbilde, denn mit ein paar Freundinnen kann ich ganz offen darüber reden, sie stellen interessierte Fragen und es ist ein flüssiges Gespräch, aber bei meiner Familie und anderen Freunden, wird kaum darauf reagiert wenn ich Grüße ausrichte oder etwas erzähle, geschweige denn nachgefragt... Und gerade jetzt, wo wir eine Fernbeziehung führen, beschäftigt mich dieses Thema natürlich sehr und ich würde sehr gern mit den Menschen die mir wichtig sind und mir nahe stehen darüber sprechen und hätte gern ein bisschen mehr Unterstützung... Ist das zu viel verlangt? Soll ich jetzt ein riesen Fass aufmachen und fragen ob diese Menschen ein Problem damit haben? Oder meinen Sie, dass sie vielleicht einfach ein bisschen mehr Zeit brauchen um sich daran zu gewöhnen? (Vielleicht etwas egoistisch, aber sollte man nicht meinen, dass ich diejenige wäre die Zeit gebraucht hätte sich daran zu gewöhnen nun auf Frauen und nicht nur auf Männer zu stehen? Für alle anderen ändert sich doch nichts. Ich bin ja schließlich immer noch derselbe Mensch, wie vorher...) Wie sehen Sie das? Viele Grüße…, Beate, 23
Liebe Beate
Erst einmal möchte ich Ihnen zu Ihrem Glück gratulieren, Sie haben Ihre Traumfrau gefunden, das ist doch wunderbar! Ich freue mich mit Ihnen.
Und das gleiche würden Sie sich auch von Ihrer Familie und Ihrer Umgebung wünschen, das verstehe ich gut. Sie schreiben, dass Sie gerne etwas mehr Unterstützung hätten. Aber in Tat und Wahrheit lechzen Sie einfach nach mehr Aufmerksamkeit.
Ist ja auch wirklich bitter; da outet man sich als lesbisch und keinen interessiert's. Und wissen Sie was, liebe Beate, das ist auch richtig so! Denn so unglaublich spannend ist es nun auch wieder nicht, das mit dem Lesbisch sein. Jedenfalls nicht für die andern. So wie es für Ihr Umfeld auch mässig aufregend ist, Grüsse von einer Person zu erhalten, die irgendwo im Ausland sitzt und die sie kaum oder sogar gar nicht persönlich kennen. Und da macht es nun auch keinen Unterschied, ob die Salven von einem männlichen oder von einem weiblichen Absender kommen.
Es ist IHR Ding und für SIE dreht sich im Moment alles darum. Aber für die andern ist es nur kalter Kaffee. Ohne Eis und ohne Zucker. Denn sonst wäre es ja zumindest ein Eiskaffee und dem könnte man ja schon wieder etwas abgewinnen. Einer Liebesbeziehung, die einem selber nicht betrifft, aber kaum. Das ist nun mal leider so. Wir Menschen ticken so. Ich habe das anderer Stelle hier schon zu erklären versucht. Mit Kindern. Es funktioniert aber auch bei Hunden. Das eigene Kind und der eigene Hund können für einen das Zentrum der totalen und uneingeschränkten Aufmerksamkeit und Begeisterung bedeuten. Das Kind von nebenan und der Hund des Nachbarn aber kaum.
Nehmen Sie das ganze darum etwas gelassener und sich selber etwas weniger wichtig. Geniessen Sie Ihr Sehnen und Verliebtsein bis zum Äussersten! Aber verlangen Sie von Ihrer Umwelt nicht das selbe. Ich erwarte schliesslich auch nicht von Ihnen, dass Sie sich dermassen für den LSV 1902 interessieren, wie ich es tue, und mich ständig danach fragen, ob ich glücklich mit ihm bin. Denn wenn Sie es täten, müssten Sie jetzt nicht googeln gehn, was es damit auf sich hat.
Oder wie der wunderbare Sebastian Krämer so schön zu singen pflegt: "Hast du dich nie gefragt, warums so wenig frohe Lovesongs gibt? Nicht nur weil man kein Lied mehr braucht, wenn man mal endlich glücklich liebt. Sondern weil Tragik unterhaltsam ist, doch Glück kränkt fürchterlich. Alle, die's nicht trifft, die verzeihen uns kein Liebeslied für Dich."
Glück auf! Ihre Kafi.